A. R. Penck

© Oliver Mark, CC BY-SA 4.0
A. R. Penck porträtiert von Oliver Mark, Nürnberg 1994
Future of the soldiers (1995) – Bronzeplastik von A. R. Penck vor dem Kunstmuseum Bonn (2011 entfernt)

A. R. Penck (eigentlich Ralf Winkler, * 5. Oktober 1939 in Dresden; † 2. Mai 2017 in Zürich) war ein deutscher Maler, Grafiker, Bildhauer und Jazzmusiker.

Leben

A. R. Penck nahm von 1953 bis 1954 Mal- und Zeichenunterricht bei Jürgen Böttcher (Künstlername Strawalde) und wurde Mitglied der Künstlergruppe Erste Phalanx Nedserd. Die Gruppe strebte künstlerisches Arbeiten ohne Kompromisse an. Aus diesem Grund blieb den Mitgliedern der Künstlergruppe ein Akademiestudium verwehrt:[1] Ab 1956 bewarb er sich viermal erfolglos an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und an der Hochschule für Bildende und Angewandte Künste Berlin (Ost). Den Mitgliedern der Künstlergruppe blieb auch die Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler der DDR (VBK) verwehrt. Sie mussten sich deshalb den Lebensunterhalt als Arbeiter oder Handwerker verdienen. 1955 bis 1956 war Penck als Zeichner bei der DEWAG in der Lehre. Nach Abbruch der Lehre arbeitete er als Heizer, Nachtwächter, Briefträger und Kleindarsteller unter anderem im Film Jahrgang 45 von Jürgen Böttcher, der ihn bereits 1961 in seinen verbotenen Kurzdokumentarfilm Drei von vielen aufgenommen hatte.

Im Jahr 1966 wurde er als A. R. Penck Kandidat des VBK. Das Pseudonym, unter dem er nun bekannt werden sollte, hatte er nach dem Geologen und Eiszeitforscher Albrecht Penck gewählt; weitere spätere Pseudonyme waren Tancred Mitschel,[2] Mike Hammer und Mickey Spilane. Im Jahr 1969 lehnte der VBK seine Aufnahme ab. Zugleich bekam er zunehmend Probleme mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR: Pencks Bilder wurden beschlagnahmt.

Penck gründete im Mai 1971 gemeinsam mit Steffen Terk, Wolfgang Opitz und Harald Gallasch die Künstlergruppe Lücke, welche bis 1976 bestand. Ab 1973 arbeitete er unter dem Pseudonym Mike Hammer und T.M. (auch zusammengezogen: TM). Nach dem Militärdienst 1974 und vor allem der Verleihung des Will-Grohmann-Preises 1975 durch die Akademie der Künste in West-Berlin nahmen auch die Kontrollen der Staatssicherheit zu. 1976 begegnete Penck dem westdeutschen Malerkollegen Jörg Immendorff, mit dem er in den folgenden Jahren zusammenarbeitete. In ihren Arbeiten setzten sie sich sowohl für die Abschaffung der deutsch-deutschen Grenze als auch für Dissidenten ein, unter ihnen Rudolf Bahro und Robert Havemann.[3] Ab 1977 beschlagnahmte der Zoll die Gemälde Pencks – der ab 1976 auch mit Y signierte.

Im Mai 1979 wurden bei einem Einbruch in das Atelier Pencks verschiedene Arbeiten und Aufzeichnungen vernichtet. Am 3. August 1980 wurde er ausgebürgert und siedelte in den Westen über. Er lebte zunächst in Kerpen bei Köln. 1981 verlieh ihm die Goethe-Stiftung in Basel den Rembrandt-Preis. 1983 zog Penck nach London um und bekam 1985 den Kunstpreis Aachen verliehen. 1984 war er auf der Ausstellung Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf vertreten. 1988 nahm er teil an der Ausstellung Made in Cologne, im selben Jahr wurde er als Professor für Malerei an die Kunstakademie Düsseldorf berufen. Seine Schülerinnen und Schüler waren unter anderem Antje Dorn, Susanne Themlitz, Joanna Danovska, Yoshimoto Nara, Marta Klonowska, Gesine Kikol und Andrea C. Hoffer.[4][5] Nach seiner Emeritierung im Jahr 2003 lebte und arbeitete Penck in Dublin, Irland.[6]

Werk

Der Autodidakt schuf „Welten“ und „Erlebnisräume“, angefüllt mit symbolhaften Kürzeln.[7] In seinen Bildern bediente er sich Strichmännchen und grafischer Bildzeichen, die an Höhlenmalerei, asiatische Kalligrafie und Graffiti erinnern. In den 1970er Jahren entstanden so seine Standart-Bilder. Unter diesem Begriff verstand Penck eine Kunstrichtung, die so einfache, archaische Bildzeichen verwendet, dass jeder Betrachter die entstehenden Bilder zu durchdringen vermag – wie etwa Verkehrsschilder oder Warenzeichen. 1995 wurde in Dresden auf dem Dach des Penck-Hotel seine 2,5 Tonnen schwere Bronzeplastik Standart T (x) aufgestellt, die 6,4 Meter hoch ist.[8]

Penck war Teilnehmer der Documenta 5 in Kassel im Jahr 1972 in der Abteilung Individuelle Mythologien und auch auf der Documenta 7 (1982) und der Documenta IX im Jahr 1992 als Künstler vertreten. Für die Documenta 6 (1977) waren Bilder von ihm vorgesehen, deren Ausstellung durch Einwirken eines Inoffiziellen Mitarbeiters der Staatssicherheit der DDR auf einen hessischen Parlamentarier verhindert wurde.[9]

Penck wurde in den 1980er Jahren zu den „Neuen Wilden“ gezählt. In dieser Zeit trat er auch als Schlagzeuger bzw. Keyboarder in der Gruppe Triple Trip Touch (aka T.T.T. oder TTT) auf, die er gemeinsam mit Frank Wollny gegründet hatte – häufige gemeinsame Auftritte mit Frank Wright, Frank Lowe, Jeanne Lee, Alan Silva, Peter Kowald, Helge Leiberg, Clarence Sharpe oder Louis Moholo folgten.

Für das französische Weingut Château Siran, eines der neun Weingüter der Klassifizierung Crus Bourgeois Exceptionnels, gestaltete er das Etikett für den Weinjahrgang 1989, das Jahr, in dem die Berliner Mauer fiel. 1991 gestaltete er für BMW einen BMW Z1 als BMW Art Car.

Am 12. November 2005 wurde die Skulptur Die himmlischen Stürzer (ein fünfteiliges Marmor-Ensemble), die Penck in Zusammenarbeit mit Frank Breidenbruch erschaffen hatte und deren Wert vermutlich mehrere hunderttausend Euro betrug, durch die Geisterfahrt eines fahrerlosen Baggers beschädigt. Die Skulptur war am 13. November 1996 in Wuppertal eingeweiht worden.

Penck war nie allein auf Malerei fixiert. Er verfasste Gedichte, Essays und theoretische Texte. Auch als Jazzmusiker (Gesang, Schlagzeug, Kontrabass, Gitarre, Flöte und Klavier) trat er auf und veröffentlichte Tonträger,[10] die er mit eigenen Covermotiven versah.

Einzel- und Gruppenausstellungen (Auswahl)

Arbeiten in öffentlichen Sammlungen

A. R. Penck: Die himmlischen Stürzer in Wuppertal

Auswahl

  • Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main: Ohne Titel, 1964, Dispersion auf Tuch, 148,0 × 139,0 cm, Inv. Nr. SG 1270; Grund, 1975–1976, Aquarell, 73 × 102 cm, Invent. Nr. SG 3374 Z.[11]
  • Museum of modern Art (MoMa), New York: Ohne Titel, 1967, Aquarell auf Papier, 17,9 × 25 cm, Inv. Nr. 453.1986.4 (sowie weitere ca. 100 Grafiken und Unikate).[12]
  • Museum für Moderne Kunst (MMK), Frankfurt am Main: Stern, 1995, Skulptur, gefärbter Gips, 15,3 × 17 × 16,8 cm, Exemplar-Nummer 40/120, Inv. Nr. 1995/195[13]
  • Kunstpalais Erlangen, Erlangen: UrEndStandart, 1972, Mappe mit 15 Siebdrucken, jeweils 70 × 70 cm, Exemplar-Nummer: 41/75 , Inv. Nr. 1001108.1–15[14]
  • Pinakothek der Moderne, München: N. Komplex, 1976, Öl auf Leinwand, 280 × 280 cm, Inv. Nr. 14633 (sowie zehn weitere Arbeiten).[15]

Literatur

  • Documenta IX: Kassel, 13. Juni – 20. September 1992, Katalog in drei Bänden. Edition Cantz, Stuttgart 1992, ISBN 3-89322-380-0 (deutsch) / ISBN 3-89322-381-9 (englisch)
  • Katalog zur documenta 6: Band 1: Malerei, Plastik/Environment, Performance; Band 2: Fotografie, Film, Video; Band 3: Handzeichnungen, Utopisches Design, Bücher. Kassel 1977, ISBN 3-920453-00-X.
  • Penck, A. R. Biographische Angaben aus dem Handbuch Wer war wer in der DDR?, 2009.
  • Paul Kaiser: Vom Standard der Moderne – A.R. Penck und die Künstlergruppe „Lücke“. in: Frank Eckhardt, Paul Kaiser (Hrsg.): OHNE UNS! Kunst & alternative Kultur in Dresden vor und nach '89. Begleitbuch zur Ausstellung, efau-Verlag, Dresden, 2009, ISBN 3-9807388-1-7.
  • Ingrid Pfeiffer, A. R. Penck, Isabelle Graw, Harald Kunde, Kewin Power, Pirkko Rathgeber, Jürgen Schweinebraden: A. R. Penck: Werke 1961–2001. Deutsch / Englisch. Richter, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-937572-68-0.
  • Katalog: documenta 7 Kassel. Band 1: Visuelle Biographien der Künstler; Band 2: Aktuelle Arbeiten der Künstler. Weber und Weidemeyer, Kassel 1982, ISBN 3-920453-02-6.
  • Anke Scharnhorst: Penck, A. R.. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • documenta Archiv (Hrsg.); Wiedervorlage d5 – Eine Befragung des Archivs zur documenta 1972. Kassel/Ostfildern 2001, ISBN 3-7757-1121-X.
  • Ausstellungskatalog: documenta 5. Befragung der Realität, Bildwelten heute. Katalog als Aktenordner, Band 1: Material; Band 2: Exponatliste; 30. Juni – 8. Oktober 1972, Neue Galerie, Schöne Aussicht, Museum Fridericianum, Friedrichsplatz. Documenta, Kassel 1972, ISBN 3-570-02856-9.
  • Winkler, Ralf (Pseudonym Penck, A. R.). In: Dietmar Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler der DDR. Verlag Neues Leben, Berlin, ISBN 978-3-355-01761-9, S. 1034.
  • Natalie Püttmann: A. R. Penck: Geisteshaltung einer Zeichensprache (= Deutsche Hochschulschriften, Band 2391). Überarbeitete Mikrofiche-Ausgabe, Engelsbach, Frankfurt am Main / Hänsel-Hohenhausen, Egelsbach / St. Peter Port 1994, 1997, ISBN 3-8267-2391-0 (Dissertation Gesamthochschule Kassel 1994, 360 Seiten, 4 Mikrofiche).

Weblinks

Commons: A. R. Penck – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Petra Jacoby: Kollektivierung der Phantasie? Künstlergruppen in der DDR zwischen Vereinnahmung und Erfindungsgabe. Transcript, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89942-627-4, S. 50.
  2. Pohl, Edda und Sieghard: Die ungehorsamen Maler der DDR. Anspruch und Wirklichkeit der SED-Kulturpolitik, 1965-1979. 1. Auflage. Oberbaum, Berlin 1979, ISBN 3-87628-164-4, S. 123.
  3. Jörg Immendorff, A. R. Penck: Immendorff besucht Y. Rogner & Bernhard, München 1979, ISBN 3-8077-0129-X.
  4. Biograph.de: Penck 80 (German), abgerufen am 17. März 2024.
  5. Westdeutsche Zeitung: Kunst: Penck-Klasse feiert Professor zum runden Geburtstag (German), abgerufen am 17. März 2024.
  6. A.R. Penck-Retrospektive in der Schirn (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) In: kultur-online.net, 12. September 2007. Abgerufen am 6. Oktober 2016.
  7. Ruth Meyer-Kahrweg: Denkmäler, Brunnen und Plastiken in Wuppertal (Biographien der beteiligten Künstler). Born, Wuppertal 1991. ISBN 3-87093-058-6. S. 119.
  8. Kunst im öffentlichen Raum. Kulturamt Dresden, Dresden 1996.
  9. Jürgen Hohmeyer: Schulaufsätze vom IM. In: Der Spiegel, Ausgabe 44/2000.
  10. The A.R. Penck LP Discography
  11. Digitale Sammlung des Städel
  12. Internetseite des MoMa
  13. Werke aus der Sammlung des MMK: A.R. Penck: Stern, 1995 (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive)
  14. Internetseite Kunstpalais Erlangen
  15. Internetseite der Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München

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Autor/Urheber: Hans Weingartz, Lizenz: CC BY-SA 2.0 de
A. R. Penck: Future of the soldiers (1995)

Bronzeplastik vor dem Kunstmuseum Bonn – 2011 entfernt

Sammlung Ströher (ehemals Sammlung Grothe)