Buch Esra

Ketuvim (Schriften) des Tanach
Sifrei Emet (poetische Bücher)
  • סֵפֶר תְּהִלִּיםBuch der Psalmen
  • אִיּוֹבIjob
  • מִשְלֵי שְׁלֹמֹהSprüche Salomos
חמש מגילותMegillot (Festrollen)
Übrige
  • דָּנִיּאֵלDaniel
  • עֶזְרָאEsra (einschließlich Nehemia)
  • דִּבְרֵי הַיָּמִיםChronik (1–2 Chr)

Das Buch Esra hebräisch סֵפֶר עֶזְרָא ist ein Buch des Tanach bzw. des Alten Testaments. Es bildet zusammen mit dem Buch Nehemia eine Einheit, sowohl in der hebräischen Überlieferung (Esra–Nehemia) als auch in der Septuaginta (2. Esdras).[1] Die heute allgemein übliche Buchabgrenzung zwischen Esra- und Nehemiabuch geht auf die Vulgata zurück,[2] ebenso die Zählung der Kapitel.

Das 3.,[3] 4., 5. und 6. Buch Esra und die Esra-Apokalypse sind apokryphe jüdische oder christliche Schriften seit dem 1. Jahrhundert n. Chr., die sich auf den biblischen Esra beziehen.

Inhalt

Das Buch lässt sich grob in zwei Teile gliedern:

  • Kapitel 1–6 Serubbabel-Erzählung: Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels unter Serubbabel und Jeschua
  • Kapitel 7–10 Esra-Erzählung: Zug nach Jerusalem und Konstituierung der jüdischen Gemeinde

Die einzelnen Teile behandeln dabei:

  • Esr 1 Erlaubnis zur Rückkehr der Juden aus dem Babylonischen Exil durch Kyros II. und Rückgabe der Tempelgeräte
  • Esr 2 Verzeichnis der aus dem Exil Zurückgekehrten (vgl. Neh 7)
  • Esr 3,1–7 Errichtung eines Altars und Einsetzung der Brandopfer, Feier des Laubhüttenfestes
  • Esr 3,8–13 Beginn des Tempelbaus
  • Esr 4 Störungen beim Tempelbau
  • Esr 5 Neubeginn des Tempelbaus
  • Esr 6,1–18 Kyros-Edikt und Vollendung des Tempelbaus unter Dareios I.
  • Esr 6,19–22 Feier des Pessachfestes
  • Esr 7 Beauftragung Esras durch Artaxerxes
  • Esr 8,1–14 Verzeichnis der Rückkehrer mit Esra
  • Esr 8,15–36 Zug Esras nach Jerusalem
  • Esr 9 Bußgebet Esras wegen der Mischehen
  • Esr 10 Auflösung der Mischehen

Sprache

Der Haupttext des Buches ist auf Hebräisch geschrieben. Esra 4,8 – 6,18 und 7,12–26 sind dagegen in aramäischer Sprache geschrieben. Das Aramäisch des Esra-Buchs unterscheidet sich von dem des Buchs Daniel. So lautet z. B. die Form des Personalpronomens der 2. Person Singular maskulin in Esra אנת, während in Daniel der Konsonantentext die Form אנתה aufweist.

Esra-Nehemia

In der frühen jüdischen und griechischen Tradition wurden die Bücher Esra und Nehemia als Einheit gesehen, wie sich aus Angaben zum Kanon und der Handschriftentradition ersehen lässt. So vermerkt z. B. die Massora im Codex Leningradensis die Buchmitte nach der Anzahl der Verse bei Nehemia 3,32. Ebenso fehlt ein Kolophon am Ende von Esra.

Dieser Zusammenhang ist auch sachlich gegeben. Beide Bücher behandeln die Ereignisse vom Beginn der Perserzeit über den Wiederaufbau des Tempels, die Errichtung der Stadtmauer um Jerusalem und die Konstituierung der judäischen bzw. jüdischen Kultgemeinschaft. In Neh 8 tritt Esra erneut auf, Neh 8,9 und 12,26 nennen Esra und Nehemia nebeneinander, so dass der Eindruck gleichzeitigen Wirkens entsteht. Hinzu kommen literarische Makrostrukturen, die auf einen planvollen Aufbau des Esra-Nehemia-Buches schließen lassen: So steht das Bußgebet Esras (Esr 9) in Verbindung mit dem Bußgebet Nehemias (Neh 1) und dem Bußgebet des Volkes (Neh 9). Sowohl das Handeln Esras als auch Nehemias steht in engem Kontakt zum persischen Großkönig und wird durch königliche Erlasse legitimiert (Esr 1; 7; Neh 2).

Die Abtrennung eines eigenen Buches Nehemia ist motiviert durch die Einleitung Neh 1,1: „Worte Nehemias, des Sohnes Chachaljas...“ und findet sich erstmals bei Origenes.

Esra-Nehemia und Chronik

Das Buch Esra-Nehemia weist weiterhin starke sachliche und theologische Bezüge zu den Büchern der Chronik auf. So wiederholt Esr 1,1–3 wörtlich den Schluss 2 Chr 36,22f . Esra-Nehemia kann also als Fortsetzung von 1/2 Chr gelesen werden. Auffällig ist dabei, dass die Worte, die sich inhaltlich mit der Verkündigung Deuterojesajas berühren, als Prophetie Jeremias eingeführt werden.

Gemeinsam ist Esra-Nehemia und 1/2 Chr weiterhin das Interesse an Stammtafeln, am Kult und am Kultpersonal, an Festen und Gebeten. Ähnlichkeiten ergeben sich auch auf kompositioneller Ebene im Wechsel von Erzählungen und Listen. Diese Beobachtungen führten zur These eines Chronistischen Geschichtswerkes.[4]

In neuerer Zeit wird diese These teilweise bestritten. Die chronologische Reihenfolge 1/2 Chr – Esr/Neh wird nur in den wenigsten Handschriften geboten. Zudem gibt es auch eine Zahl sachlicher Unterschiede. Die Stellung des davidischen Königshauses spielt in Esra-Nehemia keine Rolle, während sie für 1/2 Chr bedeutsam ist.

Für die Verhältnisbestimmung von Esra-Nehemia und 1/2 Chr ergeben sich demnach mehrere Möglichkeiten:

  • Die Bücher bilden ein gemeinsames Werk eines Verfassers.
  • Esra-Nehemia sind ein im Vergleich zu 1/2 Chr älteres Werk derselben Verfassergruppe.
  • Esra-Nehemia sind ein im Vergleich zu 1/2 Chr jüngeres Werk derselben Verfassergruppe (Fortschreibung).
  • Esra-Nehemia und 1/2 Chr sind zunächst eigenständige Werke, die erst spät auf redaktioneller Ebene miteinander verbunden werden.

Esra im frühen Christentum

Im Neuen Testament wird Esra nicht zitiert.

Allerdings werden unter den Vorfahren Josefs von Nazaret sowohl in Mt 1,12  als auch in Lk 3,27  Serubbabel und dessen Vater Schealtiël erwähnt. Das sind in den zahlreichen Generationen von David bis zu Josef die beiden einzigen Namen, in denen die Stammbäume nach Matthäus und nach Lukas miteinander übereinstimmen. Serubbabel wird aber nur im Esrabuch (von Esr 3,2  bis Neh 12,1 , ebenso im griechischen 3. Esra) sowie bei Haggai (von Hag 1,1  bis Hag 2,23 ) als Sohn des Schealtiël bezeichnet, während er nach 1 Chr 3,19  ein Sohn Pedajas war. Damit richten sich die neutestamentlichen Stammbäume für die nachexilische Zeit nicht nach der Chronik, sondern nach der Esra-Tradition.

Literatur

  • Kommentare
    • Joachim Becker: Esra, Nehemia (NEB). Würzburg 1990, ISBN 3-429-01282-1.
    • Joseph Blenkinsopp: Ezra-Nehemiah. Philadelphia 1988, ISBN 0-664-21294-8.
    • Antonius H. Gunneweg: Esra. Mit einer Zeittafel von Alfred Jepsen (KAT XIX/1). Gütersloh 1985.
  • Forschungsbericht
    • Thomas Willi: Zwei Jahrzehnte Forschung an Chronik und Esra-Nehemia. In: Theologische Rundschau 67 (2002), 61–104.
  • Einzelstudien
    • Sebastian Grätz: Das Edikt des Artaxerxes. Eine Untersuchung zum religionspolitischen und historischen Umfeld von Esra 7,12-26 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 337). Berlin/New York 2004, ISBN 3-11-017967-9.
    • Christiane Karrer: Ringen um die Verfassung Judas: Eine Studie zu den theologisch-politischen Vorstellungen im Esra-Nehemia-Buch (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 308). Berlin/New York 2001, ISBN 3-11-017055-8.
    • Raik Heckl: Neuanfang und Kontinuität in Jerusalem. Studien zu den hermeneutischen Strategien im Esra-Nehemia-Buch. Mohr Siebeck, Tübingen 2016. ISBN 978-3-16-154118-6.

Anmerkungen

  1. In der Septuaginta steht dieses 23 Kapitel (=Esra und Nehemia) umfassende Buch als Esdras β’ („2. Esdras“) neben einer anderen, wahrscheinlich älteren griechischen Fassung, Esdras α’.
  2. Hieronymus hat das Werk in zwei Bücher aufgeteilt, wobei I Ezrae unserem Buch Esra entspricht, II Ezrae unserem Buch Nehemia. Die Bezeichnungen „1. Esra“ und „2. Esra“ führen leicht zu Verwirrung, da sie in der griechischen und der lateinischen Bibel je unterschiedliche Größen bezeichnen.
  3. Esra-Schriften, außerbiblische (AT). Abgerufen am 8. Juli 2020.
  4. Zuerst bei Leopold Zunz: Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden, historisch entwickelt. Berlin 1832.

Weblinks