Übersteuern (Fahrzeug)
Übersteuern bezeichnet das Verhalten eines Fahrzeuges in Kurven, bei dem der Schräglaufwinkel an den Hinterrädern größer ist als an den Vorderrädern. Das Heck drängt nach außen, der Lenkeinschlag ist geringer als es dem Kurvenradius entspräche. Dieses Verhalten ist typisch für Fahrzeuge mit Heckmotor, kommt aber auch bei Fahrzeugen mit Frontmotor und Hinterradantrieb vor.
Das gegenteilige Verhalten bezeichnet man als Untersteuern. Untersteuernde Fahrzeuge schieben in einer Kurve mit den Vorderrädern zum äußeren Kurvenrand. Dieses Verhalten ist typisch für frontangetriebene Fahrzeuge.
Fahrzeuge, die leicht hinten ausbrechen, sind der VW Käfer und diverse Baureihen von Porsche-Sportwagen (wie die 356er und der 911, insbesondere die Modelle GT2 und GT3), also Fahrzeuge mit Heckmotor und entsprechend hoher Last auf der Hinterachse.
Die Tendenz des Fahrzeugs, „mehr Kurve“ zu fahren als am Lenkrad eingestellt ist, gilt als weniger sicher im Vergleich zum Untersteuern. Die Korrektur erfordert Übung und eine entsprechende Fahrtechnik (siehe Driftsport).
Ausgleichsfedern an der Hinterachse und Stabilisatoren an der Vorderachse wirken dem Übersteuern entgegen, bei modernen Fahrzeugen auch elektronisch gesteuerte Systeme wie das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP), indem es automatisch das kurvenäußere Vorderrad abbremst.
Definition
Nach DIN ISO 8855 liegt Übersteuern vor, wenn bei stationärer Kreisfahrt die Differenz der Gradienten von Lenkwinkel und Ackermannwinkel bezüglich der Querbeschleunigung kleiner Null ist.[1]
Diese Definition hat eine ältere nach Olley abgelöst, bei der die Schräglaufwinkeldifferenz von Vorderachse und Hinterachse herangezogen wurde.[2] Basis der Auswertung ist ein Diagramm, in dem der Lenkwinkel und der Ackermannwinkel als Funktion der Querbeschleunigung dargestellt sind. Auf konstantem Kurvenradius ist der Ackermannwinkel konstant. Wenn der Fahrer den Lenkradeinschlag mit zunehmender Querbeschleunigung zurücknehmen muss, liegt Übersteuern vor. Diese Definition nach Bergmann orientiert sich an Begriffen des Einspurmodells und beschreibt das Eigenlenkverhalten über den gesamten Querbeschleunigungsbereich. Da Fahrzeuge mit negativem Eigenlenkgradienten bei der kritischen Geschwindigkeit instabil werden, sind alle PKW bis mindestens mittleren Querbeschleunigungen untersteuernd ausgelegt. Im Gegensatz dazu wird im Rennsport häufig nur das Verhalten an der Kraftschlussgrenze (Rutschgrenze) betrachtet. Als Übersteuernd wird ein Fahrzeug bezeichnet, bei dem zuerst die Hinterachse die Rutschgrenze erreicht. Das Fahrzeug wird instabil und kann nur durch aktives Gegenlenken oder ESP wieder stabilisiert werden.
Literatur
- Manfred Mitschke: Dynamik der Kraftfahrzeuge. 2. völlig neubearbeitete Auflage, Band C Fahrverhalten, Springer Verlag, Berlin 1990, ISBN 978-3-642-86471-1.
- Konrad Reif (Hrsg.): Bosch Grundlagen Fahrzeug- und Motorentechnik. 1. Auflage, Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-8348-1598-9.
Weblinks
- Definition Übersteuerung/Untersteuerung (abgerufen am 30. November 2015)
Einzelnachweise
- ↑ Karl-Ludwig Haken: Grundlagen der Kraftfahrzeugtechnik. 4. Auflage. Hanser, 2015, ISBN 978-3-446-44216-0, S. 252. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- ↑ Erich Schindler: Fahrdynamik: Grundlagen des Lenkverhaltens und ihre Anwendung für Fahrzeugregelsysteme. expert verlag, 2007, ISBN 978-3-8169-2658-0, S. 36. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
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Eigenlenkverhalten bei stationärer Kreisfahrt auf konstantem Radius
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Maserati 250 F, Baujahr 1957