Sportvereinigung

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Massenübung der Sportvereinigungen Vorwärts und Dynamo 1957 in Leipzig
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Handballspieler mit dem Logo der Sportvereinigung Lokomotive (SV Lok) auf der Brust

Sportvereinigungen (SV) waren spezielle Sportorganisationen im DDR-Sportsystem, die nach Gewerkschaftsbereichen geordnet waren. In der DDR gab es 18 Sportvereinigungen, davon 16 zivile. Die beiden übrigen waren die Sportvereinigungen des Militärs (Armeesportvereinigung Vorwärts) und der inneren Sicherheitsorgane (Sportvereinigung Dynamo). Fast alle Sportgemeinschaften der DDR waren einer dieser Sportvereinigungen zugeteilt. Der überwiegende Teil der Sportvereinigungen wurde Anfang der 1950er Jahre gegründet, jedoch 1957 schon wieder aufgelöst.

Geschichte

Nachdem in der Sowjetischen Besatzungszone der Sport zunächst kommunal organisiert worden war, erfolgte ab Ende der 1940er Jahre eine Umstrukturierung. Die Sportgemeinschaften wurden Trägerbetrieben zugeordnet. Dies machte sich auch äußerlich am SG-Namen bemerkbar; die anfangs nach dem Muster „SG + Ortsname (+ Ortsteil)“ gebildeten Bezeichnungen für die Sportgemeinschaften (beispielsweise SG Dresden-Friedrichstadt) wichen dem Kürzel „BSG“ (Betriebssportgemeinschaft). Andere gängige Kürzel waren ASG (Armeesportgemeinschaft) und HSG (Hochschulsportgemeinschaft). Zwischen dem Kürzel und dem Ortsnamen wurde in der Regel ein weiterer Namensbestandteil eingeschoben. Dieser stand nach sowjetischem Vorbild in engem Bezug zum Gewerkschaftsbereich des jeweiligen Trägerbetriebes.

Grund dafür war der am 3. April 1950 vom Deutschen Sportausschuß gefasste Beschluss „Über die Reorganisation des Sports auf Produktionsebene“. Er sah die Bildung von zentralen Sportvereinigungen auf der Basis der Gewerkschaftsstruktur in der DDR vor, jede SV stand für einen Gewerkschaftsbereich. Alle Sportgemeinschaften erhielten entsprechend ihrer übergeordneten Sportvereinigung einheitliche Namen. In der Zeit zwischen 1950 und 1957 wurden die Sportgemeinschaften in der DDR den insgesamt 18 Sportvereinigungen zugeordnet. Zuerst entstand am 12. Mai 1950 die Sportvereinigung Motor, in den nächsten Wochen folgten Wismut, Lokomotive und Deutsche Volkspolizei. Laut einer im November 1950 verfassten Analyse standen damals die Sportvereinigungen Stahl, Aktivist und Einheit kurz vor ihrer Gründung, die Sportvereinigungen Rotation, Chemie und Traktor wurden später konstituiert.[1]

Mit der Gründung des Deutschen Turn- und Sportbundes kam es 1957 zu einer erneuten grundhaften Umstrukturierung des DDR-Sportsystems. Seither spielte die Untergliederung nach Sportarten, die in neugebildeten Sportverbänden (beispielsweise Deutscher Handballverband) Ausdruck fand, eine wichtigere Rolle als jene nach Gewerkschaftsbereichen. Folglich gingen 14 der 18 Sportvereinigungen im Mai 1957 in den Bezirksverbänden des DTSB auf. Neben den Sportvereinigungen Dynamo und Vorwärts, die erst in der Wendezeit aufgelöst wurden, bestanden bis 1978 noch die Sportvereinigungen der beiden großen „Staatskonzerne“ Wismut und Reichsbahn (Lokomotive) mit dem Status einer DTSB-Bezirksorganisation weiter. Über das Bestehen der SV hinaus blieben lediglich die von ihnen herrührenden Namen vieler Betriebssportgemeinschaften und Sportclubs erhalten.

Liste der Sportvereinigungen

LogoNameGewerkschaftsbereichGründungsdatumMitgliederzahl im Jahr 1954[2]Beispiele
AktivistIG BergbauMai/Juni 195054.170BSG Aktivist Zwickau
BSG Aktivist Schwarze Pumpe
SC Aktivist Brieske-Senftenberg
AnkerWerften1. September 1950[3]BSG Anker Wismar
AufbauBauwesen und Holzindustrie15./16. September 1951 in Magdeburg[4]53.700SC Aufbau Magdeburg
BSG Aufbau Krumhermersdorf
BSG Aufbau Boizenburg
ChemieIG Chemie, Glas und KeramikAugust 195072.000Hallescher FC Chemie
BSG Chemie Premnitz
BSG Chemie Böhlen
Deutsche VolkspolizeiVolkspolizei21. Juni 1950, ging 1953 in der SV Dynamo aufSV Deutsche Volkspolizei Potsdam
SV Deutsche Volkspolizei Dresden
DynamoInnere Sicherheitsorgane (MfS,
Zollverwaltung, Volkspolizei)
55.699SG Dynamo Dresden
BFC Dynamo
SC Dynamo Klingenthal
EinheitIG Verwaltung, Banken und VersicherungenMai/Juni 1950100.000SC Einheit Dresden
BSG Einheit Greifswald
BSG Einheit Wernigerode
EmporIG HandelGründungsbeschluss am 31. Oktober 1950, Gründung bis Ende März 1951[5]85.000SC Empor Rostock
BSG Empor Lauter
BSG Empor Löbau
FortschrittIG Textil, Bekleidung, LederAnfang Februar 1951 in Neugersdorf[6]66.000SC Fortschritt Weißenfels
BSG Fortschritt Cottbus
LokomotiveIG Eisenbahn5. Juni 195085.7001. FC Lokomotive Leipzig
BSG Lokomotive Magdeburg
BSG Lokomotive Stendal
MechanikIG Metall – MetallindustrieBSG Mechanik Arnstadt
MedizinGewerkschaft GesundheitswesenAnfang Dezember 1951 in Erfurt[7]28.000BSG Medizin Markkleeberg
BSG Medizin Luckau
BSG Medizin Berlin 1896
MotorIG Metall – Autoindustrie, Maschinenbau12. Mai 1950173.770SC Motor Jena
BSG Motor Zwickau
BSG Motor Altenburg
PostPost- und Fernmeldewesen30. September 1951 in Halle[8]22.000BSG Post Neubrandenburg
BSG Post Schwerin
BSG Post Jena
RotationIG Druck und PapierJuli 1950 in Berlin[9]31.600SC Rotation Leipzig
BSG Rotation Berlin
BSG Rotation Babelsberg
StahlIG Metallurgie4. November 1951 in Leipzig[10]30.000BSG Stahl Riesa
BSG Stahl Brandenburg
BSG Stahl Eisenhüttenstadt
TraktorIG Forst- und LandwirtschaftJuni 1950[11] oder 18. März 1951 in Hagenow[12]140.000SC Traktor Schwerin
SC Traktor Oberwiesenthal
BSG Traktor Teuchern
TurbineIG Energie21.700SC Turbine Erfurt
BSG Turbine Halle
BSG Turbine Potsdam
VorwärtsMilitär (Kasernierte Volkspolizei,
Nationale Volksarmee)
ASK Vorwärts Frankfurt
ASK Vorwärts Oberhof
ASG Vorwärts Dessau
WismutUranbergbauBSG Wismut Aue
SG Wismut Gera
SC Wismut Karl-Marx-Stadt
WissenschaftUniversitäten und Hochschulen15. Juli 1951 in Leipzig[13]28.730HSG Wissenschaft Halle
SC Wissenschaft DHfK Leipzig
HSG Wissenschaft TH Dresden
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Hürdenläuferin der Sportvereinigung Wissenschaft

Darüber hinaus waren in seltenen Fällen noch weitere DDR-typische Bezeichnungen anzutreffen. Sie stammen zumeist aus einer Zeit, in der die Vereinheitlichung der Sportvereinigungen noch nicht gegriffen hat. Beispiele sind die BSG Anker Wismar (Werften als Teil des Maschinenbaus, deshalb später SV Motor), die BSG VVB Tabak Dresden (Zigarettenindustrie als Teil der Genussmittelindustrie, deshalb später SV Empor) sowie die BSG Energie Neubrandenburg (Energieindustrie, deshalb später SV Turbine). Ab den 1960er Jahren schlossen sich vermehrt Betriebssportgemeinschaften unterschiedlicher Sportvereinigungen zusammen, die dann in der Regel als TSG auftraten (beispielsweise TSG Neustrelitz, TSG Lübbenau und TSG Elsterwerda). Vereinzelt nahmen Betriebssportgemeinschaften auch den Namen ihres Trägerbetriebs an (beispielsweise BSG Sachsenring Zwickau). Nur in wenigen Fällen hatten sich Sportgemeinschaften nicht dem BSG-System angeschlossen und gaben sich unabhängige Namen (beispielsweise Sportfreunde Johannisthal, SG Gittersee).

Funktion

Die Sportvereinigungen waren wichtige Säulen in der Anfangszeit des DDR-Sports. Sie hatten die Aufgabe, die Förderung der Sportgemeinschaften innerhalb ihres Gewerkschaftsbereiches zu organisieren und den Sportverkehr zu regeln. Letzteres geschah unter anderem durch die Organisation zentraler SV-Wettkämpfe, aber auch durch Einflussnahme beim Sportlerwechsel zu anderen Sportgemeinschaften. Gegliedert waren die Sportvereinigungen in Bezirksorganisationen.

Als ab 1954 der Leistungssport vom Breitensport separiert wurde, gründeten alle Sportvereinigungen bis auf die SV Medizin und die SV Post einen Sportclub (SC), manchmal auch mehrere. In der Regel wurde der Sportclub in einer Stadt angesiedelt, in der ein leistungsstarker VEB des jeweiligen Gewerkschaftsbereichs die Funktion des Trägerbetriebs übernahm. So befand sich beispielsweise der SC Wismut Karl-Marx-Stadt in der Stadt, in der auch die SDAG Wismut ihren Sitz hatte (Stadtteil Chemnitz-Siegmar). Als die Sportclubs der SV ab 1961 den Bezirkssportclubs wichen, gab es die meisten Sportvereinigungen bereits nicht mehr. Somit wurde die bisherige Systematik mit den Sportvereinigungsbezeichnungen in den BSG- oder SC-Namen durchbrochen, was sich 1965/66 bei der Gründung der Fußballclubs (FC) fortsetzte.

Einzelnachweise

  1. Carmen Fechner: Die Frühgeschichte der Sportvereinigung Dynamo – Hegemoniebestrebungen, Dominanzverhalten und das Rivalitätsverhältnis zur Armeesportvereinigung „Vorwärts“. Diss., Berlin 2011, S. 58. (Online-Version (PDF; 16,7 MB))
  2. Carmen Fechner: Die Frühgeschichte der Sportvereinigung Dynamo – Hegemoniebestrebungen, Dominanzverhalten und das Rivalitätsverhältnis zur Armeesportvereinigung „Vorwärts“. Diss., Berlin 2011, S. 114. (Online-Version (PDF; 16,7 MB))
  3. BZ 19. April 1951, S. 4.
  4. ND vom 14. September 1951, S. 8.
  5. ND vom 12. November 1950, S. 8.
  6. ND vom 8. Februar 1951, S. 6.
  7. NZ vom 5. Dezember 1951, S. 2.
  8. ND vom 30. September 1950, S. 8.
  9. ND vom 29. Juli 1950, S. 6.
  10. ND vom 4. November 1950, S. 6.
  11. BZ vom 7. Juni 1950, Seite 4.
  12. Wolfgang Schilhaneck: Bodenreform und Landsport. In: fuwo – Die neue Fußballwoche. 7. September 1965, Seite 14.
  13. ND vom 17. Juli 1951, S. 6.

Literatur

  • Präsidium der Sportvereinigung Dynamo (Hrsg.): Dynamo. Ein Almanach. Berlin 1977.
  • Carmen Fechner: Die Frühgeschichte der Sportvereinigung Dynamo – Hegemoniebestrebungen, Dominanzverhalten und das Rivalitätsverhältnis zur Armeesportvereinigung „Vorwärts“. Diss., Berlin 2011. (Online-Version (PDF; 16,7 MB))

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Emblem der Sportvereinigung der Deutschen Volkspolizei der DDR bis 1953.
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Eines der ersten Wappen der SV Dynamo der DDR. Die SVD war eine staatliche Sportvereinigung der Gewerkschaft des Ministeriums des Innern.
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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Leipzig, Turn- und Sporttreffen, Massenübung Zentralbild Schlegel Son-Noa 21.7.1957 Turn- und Sporttreffen der Jugend in Leipzig. Am letzten Tag des Turn- und Sporttreffens der Jugend in Leipzig wurden am Nachmittag die Vorführungen der Massenübungen der Kinder sowie der Sportlerinnen und Sportler des Bezirkes Leipzig und die Vorführungen der Sportvereinigung Dynamo und Vorwärts im Zentralstadion gezeigt. Besondere Begeisterung fanden die Massenübungen der Kinder, die erstmalig bei einem Sporttreffen in diesem grossen Umfange aufgezogen worden sind. UBz: Massenübungen der Armeesportvereinigung.
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