Schweizer Parlamentswahlen 1919

1917Gesamterneuerungswahlen
des Nationalrats 1919
1922
Wahlbeteiligung: 80,4 %
 %
50
40
30
20
10
0
28,85
23,46
20,97
15,33
3,81
2,75
1,96
0,81
2,05
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu
 %p
 12
 10
   8
   6
   4
   2
   0
  -2
  -4
  -6
  -8
-10
-12
−11,98
−7,32
+4,51
+11,93
−1,08
+2,75
−1,31
+0,81
+1,65
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Bundeshaus in Bern:
Sitz des Schweizer Parlaments

Die Schweizer Parlamentswahlen 1919 fanden am 26. Oktober 1919 statt. Dabei waren die 189 Mandate des Nationalrats sowie Mandate im Ständerat neu zu vergeben. Es waren die ersten Nationalratswahlen nach der Einführung der Proporzwahl. Die Wahlbeteiligung lag bei 80,83 %,[1] dem bis heute höchsten Wert.

Grosser Verlierer im Nationalrat war die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), welche dreiundvierzig Sitze und damit die absolute Mehrheit verlor. Gewinnen konnten die Sozialdemokraten, welche ihre Delegation nahezu verdoppelten sowie die während des Ersten Weltkriegs gegründeten Bauern- und Bürgerparteien (Vorläufer der nationalen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, die 1971 in der Schweizerischen Volkspartei aufging), die praktisch aus dem Stand 30 Sitze erzielten und sich namentlich als dominierende Kraft im bevölkerungsreichen Kanton Bern etablieren konnten. Im Ständerat blieb hingegen die absolute freisinnige Mehrheit bestehen und die SP verlor ihren einzigen Ständeratssitz.

Wahlmodus

Nationalrat

Die Nationalräte wurden 1919 erstmals nach dem Proporzwahlsystem gewählt, d. h. die Sitze wurden nach dem Wähleranteil der Parteilisten in den einzelnen Kantonen verteilt und erst innerhalb der Liste gemäss den Personenstimmen. Die Anzahl Sitze pro Kanton werden anhand der Einwohnerzahl bestimmt. In Kantonen mit nur einem Sitz gilt das Mehrheitswahlrecht, 1919 betraf dies Appenzell Innerrhoden, Nidwalden, Obwalden, Glarus und Zug. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden fanden 1919 Stille Wahlen statt.[2]

Ausführlicher hierzu: Nationalrat (Schweiz) – Wahlverfahren

Ständerat

Jeder Kanton wählt seit 1848 zwei Vertreter für den Ständerat (Halbkantone: einen Vertreter). Die Ständeratswahlen richten sich nach kantonalem Recht.

Ausführlicher hierzu: Ständerat – Wahlverfahren

Resultate Nationalrat

Parteien, Stimme, Sitze

Die landesweiten Ergebnisse sahen wie untenstehend dargestellt aus. Resultate aus den Kantonen finden sich unter Schweizer Parlamentswahlen 1919/Resultate Nationalratswahlen. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden kam es zu einer stillen Wahl, da es nur gleich viele Kandidaturen wie zu vergebende Sitze gab.

Insgesamt 189 Sitze
Stärkste Parteien in den Kantonen und Sitzverteilung
ParteiWähler%Sitze(+/-)
Freisinnig-Demokratische Partei215'56628,85 %60−43
Sozialdemokratische Partei175'29223,46 %41+19
Schweizerische Konservative Volkspartei156'70220,97 %41±0
Bauern-, Gewerbe und Bürgerparteien114'53715,33 %30+27
Liberale Partei der Schweiz28'4973,81 %9−3
Grütlianer20'5592,75 %2+2
Demokratische Partei14'6771,96 %4−3
Evangelische Volkspartei6'0310,81 %1+1
Jeunes radicaux (VD+GE)14'9730,67 %1+1
Union helvétique (NE)22'3600,32 %0±0
Ordre et Liberté (NE)32'3070,31 %0±0
Vereinigung unabhängiger Arbeitnehmerverbände (Kartell) (BS)1'6810,22 %0±0
Vereinigte Minderheitsparteien (SH)41'6090,22 %0±0
Unabhängige Wirtschaftsgruppe (SH)57890,11 %0±0
Wilde Liste (ZH)6910,09 %0±0
Ouvriers socialistes (GE)65610,08 %0±0
Jeunesse radicale (GE)7660,01 %0±0
Radicaux socialistes (GE)8460,01 %0±0
Vereinzelte Stimmen in Einerwahlkreisen2590,03 %0±0
Total747'203100 %189

Quellen: Bundesamt für Statistik; Statistische Jahrbücher der Schweiz, Ausgaben 1932 (Seiten 388–391) und 1964 (Seite 522); Statistische Quellenwerke der Schweiz/Heft 436, Reihe Qa9, Bern 1968. Nationalratswahlen 1967, Andere Parteien 1919–1967, Seiten 144–149

1 auf deutsch: Jungfreisinnige; der gewählte Vertreter aus dem Kanton Genf schloss sich im Parlament der FDP-Fraktion an
2 auf deutsch: Helvetische Union, Bürgerwehr aus La Chaux-de-Fonds, Vorgängerin des Parti progressiste national
3 auf deutsch: Ordnung und Freiheit, Bürgerwehr aus Le Locle, Vorgängerin des Parti progressiste national
4 Wahlallianz aus Grütlianern, Christlichsozialen (KVP), Liberaldemokraten und Evangelischen[3]
5 Bestehend aus Angestelltenverbänden und Vertreter der Festbesoldeten[4]
6 auf deutsch: Sozialistische Arbeiter, Rechtsabspaltung der SP um Nationalrat Jean Sigg
7 auf deutsch: Radikale/Freisinnige Jugend
8 auf deutsch: Sozialistische Radikale/Freisinnige

Wähleranteile in den Kantonen (mit mehreren Sitzen)

Wählerzahlen, Prozente kleinerer Parteien und Namen der Gewählten unter Schweizer Parlamentswahlen 1919/Resultate Nationalratswahlen.

KantonFDPSPKVPBGBLPSGrütliDPEVP
Kanton Aargau Aargau25,1 %27,8 %24,5 %19,8 %2,8 %
Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft51,4 %28,4 %10,2 %10,0 %
Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt13,8 %40,8 %10,0 %9,1 %13,9 %5,7 %
Kanton Bern Bern15,8 %27,7 %5,7 %46,3 %3,3 %1,2 %
Kanton Freiburg Freiburg22,9 %7,8 %69,3 %
Kanton Genf Genf19,4 %25,4 %10,8 %29,3 %
Kanton Glarus Glarus36,1 %11,3 %22,6 %30,0 %
Kanton Graubünden Graubünden42,3 %12,9 %34,8 %10,0 %
Kanton Luzern Luzern35,3 %10,1 %52,2 %2,4 %
Kanton Neuenburg Neuenburg22,0 %37,6 %21,3 %
Kanton Schaffhausen Schaffhausen13,0 %31,8 %33,4 %
Kanton Schwyz Schwyz22,9 %22,3 %54,8 %
Kanton Solothurn Solothurn44,4 %29,9 %25,7 %
Kanton St. Gallen St. Gallen30,8 %15,7 %41,0 %0,9 %11,6 %
Kanton Tessin Tessin42,2 %20,5 %37,4 %
Kanton Thurgau Thurgau21,6 %17,1 %18,6 %29,1 %2,0 %11,6 %
Kanton Waadt Waadt54,1 %16,5 %24,3 %0,8 %
Kanton Wallis Wallis22,7 %6,7 %70,6 %
Kanton Zürich Zürich29,3 %32,9 %5,1 %21,7 %6,6 %3,8 %
Schweiz28,8 %23,5 %21,0 %15,3 %3,8 %2,8 %2,0 %0,8 %

Sitzverteilung in den Kantonen

Wählerzahlen, Prozente kleinerer Parteien und Namen der Gewählten unter Schweizer Parlamentswahlen 1919/Resultate Nationalratswahlen.[5]

KantonTotalFDPSPKVPBBLPSDemGrütliEVPJRS1
Kanton Aargau Aargau123−63+333+3
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell AusserrhodenS2321
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden11
Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft431+1
Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt7S31−13+21110−1
Kanton Bern Bern325−159+11−2S416+160−11+1
Kanton Freiburg Freiburg71−16+1
Kanton Genf Genf82−12+112−11+1
Kanton Glarus Glarus211
Kanton Graubünden Graubünden63−11+12
Kanton Luzern Luzern835
Kanton Neuenburg Neuenburg72−13+12
Kanton Nidwalden Nidwalden11
Kanton Obwalden Obwalden11
Kanton Schaffhausen Schaffhausen20−22+2
Kanton Schwyz Schwyz3S512
Kanton Solothurn Solothurn63+121−1
Kanton St. Gallen St. Gallen155−22+262
Kanton Tessin Tessin84−21+13+1
Kanton Thurgau Thurgau72−21+112+11
Kanton Uri Uri11
Kanton Waadt Waadt169−23+34−1
Kanton Wallis Wallis615
Kanton Zug Zug11
Kanton Zürich Zürich257−89+21+16+50−21+11+1
Schweiz18960−4341+1941±030+279−34−32+21+11+1
S1 Jeunes Radicaux
S3 Nationalrat Karl Oskar Schär wurde auf der Liste der FDP gewählt, politisierte aber in der Sozialpolitischen Fraktion (Demokraten und andere Linksbürgerliche).[6]
S4 Nationalrat Arnold Gottlieb Bühler wurde auf der Liste der BGB gewählt, politisierte aber anschliessend in der FDP-Fraktion.[7] Die BB-Fraktion umfasst in der Legislatur 1919–1922 somit tatsächlich nur 15 Berner.
S5 Nationalrat Josef Bürgi wurde auf der Liste der FDP gewählt, politisierte aber anschliessend in der BB-Fraktion.[8]

Resultate Ständerat

Insgesamt 44 Sitze

Sitzverteilung

Die Sitzverteilung im Ständerat sah wie folgt aus:[9]

ParteiWahlen 1919Wahlen 1917
FDP2324
KVP1716
LPS22
BB10
DP11
SP01

Gewählte Ständeräte

Kanton[10]1. Ständeratssitz2. Ständeratssitz
Kanton Aargau AargauPeter Emil Isler, FDP (bisher)Gottfried Keller, FDP (bisher)
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell AusserrhodenJohannes Baumann, FDP (bisher)nur 1 Sitz
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell InnerrhodenJohann Baptist Edmund Dähler, KVP (bisher)nur 1 Sitz
Kanton Basel-Landschaft Basel-LandschaftGustav Johann Schneider, FDP (bisher)nur 1 Sitz
Kanton Basel-Stadt Basel-StadtVictor Emil Scherer, FDP (neu)nur 1 Sitz
Kanton Bern BernPaul Charmillot, FDP (neu)Carl Moser, BB (neu)
Kanton Freiburg FreiburgGeorges Python, KVP (bisher)Georges de Montenach, KVP (bisher)
Kanton Genf GenfHenri Fazy, FDP (bisher)Jacques Rutty, LPS (bisher)
Kanton Glarus GlarusDavid Legler, DP (bisher)Philippe Mercier, FDP (bisher)
Kanton Graubünden GraubündenAndreas Laelys, FDP (bisher)Friedrich Brügger, KVP (bisher)
Kanton Luzern LuzernJosef Dürig, KVP (bisher)Josef Winiger, KVP (bisher)
Kanton Neuenburg NeuenburgAuguste Pettavel, FDP (bisher)Pierre de Meuron, LPS (bisher)
Kanton Nidwalden NidwaldenJakob Konstantin Wyrsch, KVP (bisher)nur 1 Sitz
Kanton Obwalden ObwaldenAdalbert Wirz, KVP (bisher)nur 1 Sitz
Kanton Schaffhausen SchaffhausenAlbert Ammann, FDP (bisher)Heinrich Bolli, FDP (bisher)
Kanton Schwyz SchwyzMartin Ochsner, KVP (bisher)Josef Räber, KVP (bisher)
Kanton Solothurn SolothurnCasimir von Arx, FDP (bisher)Robert Schöpfer, FDP (bisher)
Kanton St. Gallen St. GallenJohannes Geel, FDP (bisher)Anton August Messmer, KVP (neu)
Kanton Tessin TessinStefano Gabuzzi, FDP (bisher)Adolfo Soldini, FDP (bisher)
Kanton Thurgau ThurgauAlexander Otto Aepli, FDP (bisher)Albert Böhi, FDP (bisher)
Kanton Uri UriKarl Huber, KVP (bisher)Franz Muheim, KVP (bisher)
Kanton Waadt WaadtÉmile Dind, FDP (bisher)Henri Simon, FDP (bisher)
Kanton Wallis WallisJoseph Ribordy, KVP (bisher)Julius Zen Ruffinen, KVP (bisher)
Kanton Zug ZugJosef Andermatt, KVP (bisher)Josef Hildebrand, KVP (bisher)
Kanton Zürich ZürichOskar Wettstein, FDP (bisher)Paul Usteri, FDP (bisher)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 21. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bfs.admin.ch
  2. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 30. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.portal-stat.admin.ch, Tabelle "Nationalratswahlen: Mandatsverteilung nach Parteien und Kanton, 1919-2015"
  3. Der Bund 13. November 1919 Ausgabe 02 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 6. April 2021.
  4. Oberländer Tagblatt 8. Oktober 1919 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 6. April 2021.
  5. Tabelle "Nationalratswahlen: Mandatsverteilung nach Parteien und Kantonen, 1919–2015(je-d-17.02.03.04.01). (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 30. Dezember 2015; abgerufen am 4. Mai 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.portal-stat.admin.ch
  6. Bundesamt für Statistik: Statistik der Nationalratswahlen 1919, 1922, 1925 und 1928 - (Schweizerische statistische Mitteilungen. XI. Jahrgang, 1929. 1. Heft) | Publikation. 1. Januar 1929, abgerufen am 5. April 2021.
  7. Beat Junker, in: Historischer Verein des Kantons Bern (Hrsg.), Geschichte des Kantons Bern seit 1798, Band 3: Tradition und Aufbruch 1881–1995, Bern 1996, S. 98, http://biblio.unibe.ch/digibern/gesch_kant_bern_seit_1798_bd_03_tradition_und_aufbruch.pdf
  8. Franz Auf der Maur: Bürgi, Josef. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  9. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 27. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bfs.admin.ch
  10. Schweizer Parlament, Datenbank der Ratsmitglieder seit 1848, http://www.parlament.ch/d/suche/Seiten/ratsmitglieder.aspx

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