Parasomnie

Klassifikation nach ICD-10
G47Schlafstörungen
F51Nichtorganische Schlafstörungen
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Mit dem Begriff Parasomnie (altgriechisch παράpará, „bei“, „im“, „während“, „neben“ und lateinisch somnus, „der Schlaf“, ergibt „im Schlaf auftretend“) werden unerwünschte und unangemessene Verhaltensauffälligkeiten, die überwiegend aus dem Schlaf heraus auftreten, bezeichnet.[1]

Dabei kann es dazu kommen, dass der Schlafprozess unterbrochen wird und der Schlaf nicht mehr erholsam ist.

Im Kindesalter treten diese Schlafstörungen unter anderem aufgrund einer vorübergehenden Reifestörung des Gehirns auf und sind meist als harmlos zu betrachten. Im Erwachsenenalter sind die Parasomnien meist komplexer und durch auffällige Verhaltensweisen gekennzeichnet, so dass sie in bestimmten Fällen eine medizinische Klärung erfordern. Vor allem bei regelmäßigem Auftreten dieser Schlafstörungen wird die Gesundheit der Betroffenen sowie der Personen im Umfeld gefährdet. Bei verbotener Handlung in einer nachgewiesenen parasomnischen Episode kann Schuldunfähigkeit bestehen.

Wissenschaftliche Versuche legen nahe, dass eine erhöhte Aktivität des Gyrus postcentralis während des Tiefschlafes Parasomnie auslösen kann.[2]

Klassifikation

Die Einteilung der Parasomnien kann erfolgen durch verschiedene Diagnoseklassifikations- und Verschlüsselungssysteme, wie der „Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen“ (International Classification of Sleep Disorders), herausgegeben von der American Academy of Sleep Medicine (AASM) oder auch der ICD-10, der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“, welches in der zehnten Revision (2011) vorliegt.

Übersicht über die verschiedenen Klassifikationen des Schlafverhaltens nach ICSD-R und ICD-10[3]
ICSD-RICD-10
Aufwachstörungen (Arousalstörungen)
307.46-2SchlaftrunkenheitF51.8Sonstige nichtorganische Schlafstörungen
307.46-0SchlafwandelnF51.3Schlafwandeln
307.46-1Pavor nocturnusF51.4Pavor nocturnus
Störungen des Schlaf-Wach-Übergangs
307.3Schlafstörung durch rhythmische BewegungF98.4Stereotype Bewegungsstörung
307.47-2EinschlafzuckungenG47.8Sonstige Schlafstörungen
307.47-3Sprechen im SchlafF51.8Sonstige nichtorganische Schlafstörungen
729.82Nächtliche WadenkrämpfeR25.2Krämpfe und Spasmen der Muskulatur
REM-Schlaf-assoziierte Parasomnien
307.47.0AlbtraumF51.5Alpträume (Angstträume)
780.56-2SchlafparalyseG47.4Narkolepsie und Kataplexie
780.53-3Beeinträchtigung der Erektion im SchlafN48.8Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Penis
780.56-4Schmerzhafte Erektion im SchlafG47.0 & N48.8Ein- und Durchschlafstörungen und sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Penis
780.56-8REM-Schlaf abhängige Asystolie (Sinus-Arrest)I46.8Sonstiger Herzstillstand
780.59-0Verhaltensstörung im REM-SchlafG47.8 & G25.8Sonstige Schlafstörungen
Andere Parasomnien
306.8BruxismusF45.8 & G47.8Sonstige somatoforme Störungen
780.56-0Enuresis nocturnaG98.0 & G47.8Nichtorganische Enuresis
780.56-6Schlafbezogenes abnormes SchlucksyndromG45.8 & G47.8Sonstige somatoforme Störungen
780.59-1Nächtliche paroxysmale DystonieG47.8Sonstige Schlafstörungen
780.59-3Syndrom des ungeklärten plötzlichen TodesR96.0Plötzlich eintretender Tod
780.53-1Primäres SchnarchenR06.5Mundatmung
770.80Kindliche SchlafapnoeP28.3Primäre Schlafapnoe beim Neugeborenen
770.81Kongenitales zentrales HypoventilationssyndromG47.8Sonstige Schlafstörungen
798.0Plötzlicher KindstodG47.8Sonstige Schlafstörungen
780.59-5Benigner neonataler SchlafmyoklonusG47.8Sonstige Schlafstörungen
770.59-9Andere ParasomnienG47.8Sonstige Schlafstörungen

Eine Sonderform des Schlafwandelns ist die so genannte Sexsomnia, bei der die Betroffenen sexuelle Handlungen im Non-REM-Schlaf ausführen und in der Regel nach dem Erwachen eine Amnesie für diese Handlungen haben.

Abgrenzung

Seit dem Jahr 2005 existiert mit dem ICSD-2 eine überarbeitete Version des ICSD-R, die einige Phänomene und Störungen, die im Verlauf des Schlafes auftreten können, von dem Oberbegriff Parasomnie abgrenzt:

So wird dort der Bruxismus den so genannten „Schlafbezogenen Bewegungsstörungen“ zugeordnet und die verschiedenen „Schlafbezogenen Atmungsstörungen“ wie beispielsweise die obstruktive Schlafapnoe bilden eine eigene Gruppe von Schlafstörungen im ICSD-2.

Die Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien), die Hypersomnien (z. B. Narkolepsie) sowie die Zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen (z. B. Jet Lag) bilden jeweils eigene Untergruppen von Schlafstörungen im ICSD-2.

Phänomene wie Sprechen im Schlaf (Somniloquie), Einschlafzuckungen und (kompensiertes) Schnarchen sind Normvarianten ohne Krankheitswert. Sie werden im ICSD-2 unter „Isolierte Symptome, offensichtliche Normvarianten und ungelöste Probleme“ klassifiziert.

Das Syndrom des plötzlichen, unerwarteten Todes während des Schlafes (sudden unexpected death during sleep, SUDS) wurde vor allem bei jungen Männern asiatischer (vor allem philippinischer) Abstammung beschrieben. Es tritt familiär gehäuft auf und wird nach heutigem Kenntnisstand durch Kammerflimmern (Plötzlicher Herztod) verursacht. Es handelt sich nicht um eine Parasomnie, sondern um eine körperliche Erkrankung, die im ICSD-2 im Appendix A klassifiziert wird.

Therapie

Eine wichtige nicht-medikamentöse Maßnahme stellt die Einhaltung einer guten Schlafhygiene dar. Zusätzlich kann eine Psychotherapie in Hinsicht auf Stressreduktion zur Verbesserung beitragen. Bei schweren Fällen kann in der Nacht das Benzodiazepin Clonazepam als Therapieversuch eingesetzt werden.[4]

Literatur

  • American Academy of Sleep Medicine: International Classification of Sleep Disorders Diagnostic and Coding Manual (ICSD-2). 2005.
  • Boris Stuck (Hrsg.): Praxis der Schlafmedizin: Schlafstörungen, schlafbezogene Bewegungs- und Atmungsstörungen, Schnarchen. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-88699-0.
  • S1-Leitlinie Nichtorganische Schlafstörungen (F51) der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP). In: AWMF online (Stand 2013)
  • Helga Peter (Hrsg.): Enzyklopädie der Schlafmedizin. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-28839-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). In: AWMF online (Stand 2009)
  2. Arte: Dokumentation Schlafwandeln youtube.com Position 28:55
  3. Deutsches Ärzteblatt Übersicht von Parasomnien auf aerzteblatt.de. Abgerufen am 16. August 2011.
  4. Frank Schneider: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer-Verlag GmbH, Berlin Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-17191-8.