Neustadt (Lübbenau/Spreewald)

Plattenbauwohnkomplex in der Geschwister-Scholl-Straße

Die Neustadt, niedersorbisch Nowe město, ist eine Plattenbausiedlung und ein amtlich ausgewiesener Wohnplatz der Stadt Lübbenau/Spreewald im Landkreis Oberspreewald-Lausitz in Brandenburg.

Lage

Die Neustadt liegt in der Niederlausitz und im südlichen Teil des Spreewaldes. Sie liegt im südlichen Teil der Stadt Lübbenau, die Landesstraße 49 bilden in etwa die nördliche Grenze der Neustadt. Weitere umliegende Ortschaften sind Boblitz im Südosten, Groß Klessow und Klein Klessow im Süden sowie Zerkwitz mit dem Gemeindeteil Kleeden im Westen.

Geschichte

Im Jahr 1952 wurde auf der Parteikonferenz der SED der Ausbau des Bezirks Cottbus zu einem Energiezentrum beschlossen. Dies führte zu dem Plan, in dem Bezirk das damals größte Kohlekraftwerk Europas zu errichten. Schließlich wurden bei einem Auswahlverfahren die Städte Cottbus, Lübben, Forst und Lübbenau als mögliche Standorte beschlossen. Aufgrund der in der Umgebung von Lübbenau vorhandenen Kohlefelder, der guten Bahnanbindung durch die Bahnstrecken Berlin–Görlitz und Lübbenau–Kamenz, wobei das Kraftwerk durch letztere auch mit Braunkohle aus den Tagebauen in der Umgebung von Senftenberg versorgt werden konnte, sowie die Autobahnanbindungen nach Berlin, Cottbus und Dresden fiel die Wahl letztendlich auf Lübbenau. Am 18. April 1956 stellte der Architekt Wilhelm Flemming aus Cottbus erstmals die Planungen für den neuen Stadtteil vor. In diesem Plan waren 1.500 Wohnungen sowie Infrastruktureinrichtungen vorgesehen. Im August 1956 begann die Planungsphase. Kurz darauf wurden die Pläne für die Errichtung der neuen Planstadt auch den Lübbenauer Bürgern vorgestellt. Diese wurden, insbesondere durch Bauern, die in dem als Standort vorgesehenen Bereich Nutzland bewirtschafteten, zunächst überwiegend kritisch betrachtet. Am 26. September 1956 trafen sich die Chefarchitekten des Bezirks Cottbus zu einer gemeinsamen Besprechung, wo die Errichtung von zunächst 160 Wohnungen in Großplattenbauweise anvisiert wurde.

Im Jahr 1957 wurde zur Erprobung eines neuen Wohnbautyps die Erschließungsstraße Straße des Aufbaus mit 13 dreigeschossigen Plattenbauten angelegt. Die 225 Wohnungen in diesen Gebäuden mussten noch mit Kohleöften beheizt werden, galten für die damalige Zeit allerdings als sehr modern. Diese Wohnungen wurden zunächst von Ingenieuren bewohnt, die am Bau der Neustadt beteiligt waren. Am 21. März 1957 wurde ein Kohle- und Energieprogramm verabschiedet, wobei in den Kreisen, in denen Braunkohle gefördert wurde, insgesamt 71 Millionen D-Mark für den volkseigenen Wohnungsbau zur Verfügung standen. Am 10. April des Jahres bestätigte zunächst der Rat des Kreises Calau und später auch der Rat der Stadt Lübbenau die Grundkonzeption für den Bau der Großwohnsiedlung „Lübbenau-Neustadt“. Dieser Plan umfasste 1.825 Wohnungen. Am 28. Juni 1957 wurden die ersten Wohnblöcke der Straße des Aufbaus eingeweiht, am 11. Juli wurde im Kulturhaus die erste Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft des Kreises Calau gegründet. Am 2. September 1957 fand die Grundsteinlegung für die Wohnsiedlung statt, am 15. September 1957 gründete sich zwecks der Verwaltung des Stadtteils der Volkseigene Betrieb Wohnungs-Wirtschaftsbetrieb der Stadt Lübbenau, aus dem im folgenden Jahr der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Lübbenau hervorging. Am 23. Oktober 1957 erfolgte schließlich die Grundsteinlegung für den Bau des Kraftwerkes Lübbenau. Die ersten Wohnblöcke wurden noch in Betonbauweise errichtet, da jedoch nur die Hälfte der geplanten Wohnungen im Jahr 1957 fertig gestellt werden konnte, wurde recht schnell zu Plattenbauweise gewechselt.

Im Mai 1958 wurde mit der Errichtung von Plattenbauten in der heutigen Goethestraße begonnen. Da sich diese Bauweise auch zum Errichten höherer Gebäude eignete, wurden die Planungen viergeschossige Gebäude geändert, womit die Zahl der geplanten Wohnungen auf 2.187 anstieg. Somit entstand der Plattenbautyp „Lübbenau“, der in der folgenden Zeit auch Calau, Cottbus, Elsterwerda, Guben oder Lübben Anwendung fand. Im Sommer 1958 standen entlang der Straße des Friedens 15 Wohnblöcke. Die Straßen waren jedoch noch nicht befestigt. Noch im gleichen Jahr wurde mit den Planungen zur Erweiterung der Wohnsiedlung begonnen. Am 10. März 1959 wurde in der Neustadt mit dem Bau einer Gaststätte begonnen, die zum einen den Arbeitern auf der Großbaustelle als Speiseraum und zum anderen von den zukünftigen Bewohnern der Neustadt als Restaurant dienen sollte. Am 1. August 1959 waren 364 Wohnungen bezugsfertig. Daneben existierten zudem bereits eine Schule, ein Kindergarten und ein Kaufhaus. Die Gaststätte wurde am 6. Oktober der Handelsorganisation übergeben. Am 17. Dezember 1959 ging der erste 50-Megawatt-Block des Kraftwerks Lübbenau in Betrieb.[1] Ende des Jahres zählte die gesamte Stadt Lübbenau 10.669 Einwohner und damit beinahe doppelt so viele wie noch zehn Jahre zuvor.

Die ferngeheizten Wohnungen, die alle mit Bad und Einbauküche ausgestattet waren und über einen Balkon verfügten, galten für die damalige Zeit in der DDR als sehr modern und luxuriös. Da in den 1960er-Jahren die Zahl der Geburten stark zunahm und nicht mehr genug Kinderkrippenplätze vorhanden waren, wurde in der heutigen Straße der Jugend 16 notdürftig ein vorübergehender Kindergarten angelegt. Zudem wurde im Jahr 1960 der Bau der Polytechnischen Oberschule II fertig gestellt, sodass zum Schuljahr 1960/61 die ersten 427 Schulkinder aus der Neustadt in 23 Klassen eingeschult werden konnten.[2] Die Schule befand sich im Süden der Neustadt an der Straße des Friedens. Anfang Oktober wurde mit den Planungen für ein Lehrlingskombinat begonnen. Außerdem war nahe der Schule eine Großsportanlage geplant. Am 11. November 1960 wurde die Kaufhalle der Neustadt durch die HO eröffnet, diese war damals die größte Kaufhalle im Bezirk Cottbus. Am 10. Dezember 1960 wurde ein Entwurf bezüglich der Westerweiterung der Planstadt vorgelegt, der 16 weitere Wohnblöcke mit 592 Wohnungen in der Straße der Jugend, der Robert-Koch-Straße und der August-Bebel-Straße vorsah. Dazu kam wieder eine Betreuungseinrichtung, eine Sportanlage sowie eine Schule mit Turnhalle. Ebenfalls 1960 wurde mit dem Bau der Poliklinik in der Nähe der Kraftwerkstraße begonnen. 1961 lebten in Lübbenau etwa 18.000 Einwohner.[3] Im September 1961 waren in der Neustadt 1.653 Wohnungen fertig gestellt, 3.000 Wohnungen befanden sich noch im Bau oder in Planung. Am 15. Februar 1962 wurde in der Nähe der Poliklinik eine weitere Kindertagesstätte eröffnet, um den weiter wachsenden Bedarf an Krippenplätzen zu decken. Wenig später wurde durch freiwillige Eltern im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks noch ein Spielplatz gebaut. Mitte des Jahres hatte die Stadt Lübbenau 13.580 Einwohner, davon lebten etwa 7.500 in der Neustadt.

In der Folgezeit wurden weitere Planungen für eine Erweiterung der Neustadt erstellt, sodass die Stadt Lübbenau im Jahr 2000 eine Einwohnerzahl von 30.000 überschreiten sollte. Am 11. April 1963 wurde die Poliklinik nach dreijähriger Bauzeit an die Öffentlichkeit übergeben. Am 27. April 1963 wurde auf einer Versammlung von Mitgliedern der Betriebssportgemeinschaften „Aktivist“ und „Turbine“ der neue Sportverein TSG Lübbenau 63 gegründet. Daraufhin wurden entsprechende Sportstätten ergänzt. Bereits im folgenden Jahr umfasste die TSG etwa 1.000 Mitglieder. Im November 1963 ordnete der Ministerrat den Bau von 120 Wohnungen des Plattenbautyps P2 an, dazu mussten zwei bereits errichtete Bauten in der August-Bebel-Straße umkonzipiert werden. Zudem wurde den Stadtplanern auferlegt, bis Anfang 1964 240 Wohnungen für die Arbeitskräfte des Kraftwerks Lübbenau zur Verfügung zu stellen. Wenig später wurde dieser Plan jedoch wieder verworfen, und man entschied sich, den Bau Friedrich-Engels-Straße 7–9 als P2-Bau auszuführen. Gegen Ende des Jahres waren Plattenbauten mit insgesamt 582 Wohnungen neu hinzugekommen, die Stadt Lübbenau hatte 14.698 Einwohner. Am 15. Januar 1964 wurde ein neuer Bebauungsplan vorgestellt. Nach diesem sollte die Stadt Lübbenau in drei Bereiche gegliedert werden. Der für 10.000 Einwohner Wohnkomplex I umfasste den bereits errichteten Teil der Neustadt zwischen der August-Bebel-Straße und der Kraftwerkstraße, der Wohnkomplex II mit vorgesehenen 14.000 Einwohnern sollte sich von der August-Bebel-Straße aus nach Westen bis an den Ortsrand von Zerkwitz erstrecken und der Wohnkomplex III bildete die Altstadt. Für jeden dieser Wohnkomplexe sollte zusätzlich ein eigenes Stadtzentrum angelegt werden. Dazu kamen Planungen für den Bau einer Umgehungsstraße, um den Durchgangsverkehr aus der Stadt herauszuhalten.[1]

Anfang 1965 wurde das dreizehngeschossige Punkthochhaus mit 155 Apartmentwohnungen an der Ecke Straße des Friedens/Straße der Jugend eingeweiht. Im April wurden die letzten Gebäude des Wohnkomplexes I fertig gestellt und die Vorbereitungsarbeiten für den Wohnkomplex II wurden begonnen. Bereits kurz darauf wurde mit der Errichtung der Wohnblöcke in der Alexander-von-Humboldt-Straße und der Dr.-Albert-Schweitzer-Straße begonnen. Bereits Ende des Jahres konnte der Block 15, dem späteren Wohnblock Alexander-von-Humboldt-Straße 1–5, als erster des Wohnkomplexes II bezogen werden. Gleichzeitig befanden sich ein Kindergarten und eine Kaufhalle in Bau. Am 1. Februar 1966 wurden der noch heute existierende Kindergarten in der Alexander-von-Humboldt-Straße unter dem Namen „Friedrich Fröbel“ sowie die Kaufhalle in der Straße der Einheit eröffnet. Ebenfalls 1966 führte die Technische Universität Dresden in der Neustadt Messungen durch, bei denen Luftverunreinigungen mit Flugasche und Schwefeldioxid festgestellt wurden, die ein Vielfaches über den Grenzwerten lagen. Dazu kam, das bei den Einwohnern der Neustadt vermehrt Lungenerkrankungen und verschiedene Blutkrankheiten festgestellt wurden und die Menschen eine im Vergleich zum Rest der DDR um fünf bis zehn Jahre gesenkte Lebenserwartung hatten. Daraufhin wurden Überlegungen begonnen, den Wohnungsbau in der Neustadt vollständig einzustellen. Da dies allerdings einen industriellen Zusammenbruch dargestellt hätte und zudem Wohnraum für die Einwohner der für die Devastierung vorgesehenen Dörfer Tornow und Seese benötigt wurde, wurde die Erweiterung der Neustadt fortgesetzt. Am 7. Oktober 1966 gab es in der Neustadt 3.597 Wohnungen, dazu kamen seit Grundsteinlegung im September 1957 drei Schulen, jeweils vier Kindergärten und Kinderkrippen, eine Poliklinik sowie mehrere Kaufhallen und Dienstleistungseinrichtungen. Bis 1970 sollten nach Planungen 2.000 weitere Wohnungen entstehen.

Anfang 1967 wurden die letzten fünf Wohnblöcke der Alexander-von-Humboldt-Straße fertig gestellt, diese waren die letzten Wohnblöcke des Plattenbautyps „Lübbenau“, fortan wurden alle neuen Blöcke als P2-Bauten ausgeführt. Am Ende des Jahres waren 507 neue Wohnungen entstanden. Am 11. März 1968 eröffnete in der Dr.-Albert-Schweitzer-Straße die erste Kinderkombination der Stadt Lübbenau sowie die zweite im Bezirk Cottbus. Um die Begrünung der Neustadt voranzubringen, gründete der Rat der Stadt Lübbenau eine „Grünanlagenbrigade“, die nach und nach vergrößert wurde und für die Anlegung und Pflege der Grünanlagen zuständig war. Bis Ende 1968 waren seit der Grundsteinlegung nun 3.482 Wohnungen entstanden. Zu Beginn des folgenden Jahres schritt die Westerweiterung der Neustadt weiter voran, Mitte des Jahres waren bereits 230 neue Wohnungen entstanden. Im März folgte die zweite Kinderkombination Lübbenaus, eine dritte in der Rudolf-Breitscheid-Straße war in Bau. Ende des Jahres reichte die Neustadt bis an den Nachbarort Zerkwitz heran, somit war der geplante Wohnungsbau im großen Stil abgeschlossen. Das Durchschnittsalter der Einwohner der Neustadt lag Ende 1969 bei 28,2 Jahren, Lübbenau war damals eine der kinderreichsten Städte der DDR.

Am 28. Oktober 1970 wurde in der Otto-Grotewohl-Straße die größte Turnhalle des Kreises Calau eingeweiht. Sie diente als Turnhalle für den Schulsport der POS „Werner Seelenbinder“ und sollte auch für größere Sportveranstaltungen genutzt werden. Am 1. Januar 1971 umfasste die Stadt Lübbenau 21.788 Einwohner, wobei im Vorjahr 333 Kinder geboren und 146 Ehen geschlossen wurden. Anfang des Jahres 1972 wurde in der Alexander-von-Humboldt-Straße ein weiterer Wohnblock gebaut, der im April bezogen werden konnte. Im Folgemonat wurde in der Neustadt eine Stadtbuslinie eingeweiht. Diese war mit dem Werksverkehr des Kraftwerks Lübbenau verknüpft, weshalb die Benutzung des Stadtbusses für Kraftwerksangestellte kostenlos war. Am 3. Juni 1972 wurde in der Friedrich-Engels-Straße mit dem Bau einer Wohnsiedlung aus 18 Eigenheimen des Typs „Bastei“ begonnen, die vor allem von kinderreichen Familien bezogen wurde und aus diesem Grund auch gefördert wurde. Am 4. Dezember 1972 eröffnete in der Otto-Grothewohl-Straße eine weitere Kaufhalle, damals die größte Kaufhalle im Kreis Calau.

Nach der Wende in der DDR sowie der Stilllegung des Kraftwerks im Jahr 1996 hatte die Neustadt einen hohen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Zwischen 2002 und 2014 wurden in der Neustadt etwa 1.300 Wohnungen zurückgebaut. Die weiterhin bestehenden Plattenbauten wurden saniert, so etwa im sogenannten „Schweitzereck“. Die Wohnblöcke in der Neustadt werden heute zu zwei Dritteln WIS-Wohnungsbaugesellschaft im Spreewald mbH und zu einem Drittel von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft (GWG) verwaltet. In der Neustadt befinden sich zudem Einkaufsmöglichkeiten wie beispielsweise das Einkaufszentrum Spreewald Kolosseum.

Das 2008 eröffnete Spreewelten-Bad bietet Schwimmen mit Pinguinen an, eine europaweit einzigartige Attraktion. Des Weiteren gibt es eine Saunawelt mit 14 Themensaunen.[4]

Weblinks

Commons: Neustadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachweise

  1. a b Gabriela Müller: Sieben mal sieben gleich 50 Jahre Lübbenau-Neustadt.
  2. Wolfgang Ader: Eine Stadt macht Schule. In: Geschichte der Stadt Lübbenau – 20. Jahrhundert. Stadt Lübbenau (Hrsg.), S. 213
  3. Erich Rinka: Es wächst eine Stadt. In: Natur und Heimat. Heft 4. 1961
  4. Spreeweltenbad, abgerufen am 1. November 2017

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Autor/Urheber: Rheinlausitzer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Plattenbauwohnkomplex in der Geschwister-Scholl-Straße, fotografiert auf der Otto-Grotewohl-Straße aus Südosten.