Murus Gallicus

Aufbau eines Murus Gallicus aus Steinen (grau), Holz (braun) und Erde (oliv)

Murus Gallicus (lat. „gallische Mauer“) ist die Fachbezeichnung der Archäologie für eine bestimmte Konstruktionsweise von gallischen (keltischen) Befestigungsmauern. Der Begriff geht auf eine zeitgenössische Beschreibung entsprechender Anlagen in „De Bello Gallico“ von Gaius Iulius Caesar zurück (Caes. Gall. VII, 23).

Konstruktion

Ausgrabungen 1971 am Baseler Murus Gallicus: Die verrotteten Holzbalken haben ein Gitter aus Hohlräumen im Boden hinterlassen; an ihren Kreuzungspunkten sind noch die Eisennägel (helle Punkte) erkennbar

Beim Murus Gallicus handelt es sich um eine architektonische Technik des Mauerbaus, die vorwiegend die Kelten in der Antike zum Aufbau von Verteidigungs-Anlagen verwendeten. Dabei wurde ein Fachwerk aus Holzstämmen und -balken aufgebaut und dessen Zwischenräume mit Steinen und Schutt verfüllt.[1]

Diese Bauweise verlieh der Wehranlage Stabilität gegenüber Angreifern, die mit Rammen die Anlagen aufbrechen wollten. Ein solches Fachwerk war zäher und stabiler als reine Steinanlagen. Bei Massiv-Steinmauern, die ohne Mörtel miteinander verbunden sind, werden die Steine wechselseitig auf kurze Reichweite stabilisiert, hingegen leiten die Balken innerhalb des Fachwerks des Murus Gallicus die Last auf längere Reichweite weiter, so dass auch bei größeren lokalen Schäden die Mauer nicht zusammenbrach. So wurden Breschen vermieden, durch die Angreifer in die Anlage eindringen konnten.

Was auf der einen Seite die Stabilität der Festung ausmachte, führte auf der anderen Seite langfristig zum Verfall der Verteidigungsanlagen: Wo die Holzkonstruktion verrottete, fiel die Mauer in sich zusammen und löste sich in einen Steinwall aus den verfüllten Steinen und Schutt auf. Damit waren alle Wehranlagen der Kelten, die auf dieser Technik beruhten, dem Verfall preisgegeben, weshalb heute kein intakter Murus Gallicus mehr erhalten ist.

Bekannte Beispiele von Wehranlagen der Kelten, die auf diese Weise erbaut wurden, sind der Nordwall des Oppidums Fossé des Pandours, der Ringwall von Otzenhausen, die Wehranlage auf dem Titelberg in Luxemburg, die Keltenanlage von Manching und die Umwallung der Höhensiedlung Sopron-Várhely.

Der Materialaufwand für die Ringmauer von Manching wird folgendermaßen geschätzt:

11.800 Festmeter Holz für das innere Rahmenwerk, zwei Tonnen Eisennägel zu dessen Vernagelung, 6.900 m³ Kalksteine für die Mauerfrontverkleidung sowie 90.000 m³ Erde und Schüttmaterial zur Füllung der Mauer.[2]

Vitrified forts

(c) Steve Reid, CC BY-SA 2.0
Vitrified fort auf dem Tap o’ Noth

Wurde diese Mauerkonstruktion in Brand gesteckt, war durch das Verbrennen des Holzfachwerks bei passendem Wind und entsprechender Austrocknung der Balken eine derartige Hitzeentwicklung möglich, dass die Steine der Frontverkleidung teilweise „verglasten“. Von Archäologen wird als unwahrscheinlich bezeichnet, dass dies immer durch Feindeinwirkung geschah; es wird eher eine dadurch erreichbare gezielte Verfestigung des Mauerwerks angenommen. Als Beispiele für diese sogenannten vitrified forts (verglaste Festungen), die hauptsächlich in Britannien vorzufinden sind, werden Castlelaw bei Abernethy (Perth and Kinross) (10 km südöstlich von Perth), Tap o’ Noth in West Lothian und Finavon in Angus genannt.[3]

Die Computersimulation eines Nachtbilds des nachglühenden Steinwalls auf dem Gipfel des Tap o' Noth ist im Bildband „Kelten. Bilder ihrer Kultur“ zu sehen.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Dehn: Einige Bemerkungen zum Murus Gallicus. In: Germania 38, 1960, S. 43–55, doi:10.11588/ger.1960.41711.
  • Alex Furger-Gunti: Der Murus Gallicus von Basel. In: Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 63, 1980, S. 131–184.
  • Ferdinand Maier: Ergebnisse der Ausgrabung 1984-1987 in Manching. (= Die Ausgrabung in Manching. Band 15). 1992, S. 340–356.
  • Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 2. korrigierte und erweiterte Auflage. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, ISBN 3-7001-2609-3.
  • Peter Litwan: Caesars Beschreibung des murus gallicus (Gall. 7, 23) und die Eisennägel. In: Museum Helveticum 68, 2011, S. 148–153.
Commons: Murus gallicus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vincent Guichard, Leiter des Archäologischen Zentrums Bibracte, in Minute 11:30 bis 13:30 von ZDFinfo. Synchronfassung ZDF 2021. Mythos Barbaren - Rom und die Gallier. Ein Film von Philippe Tourancheau, Richard Poisson und Cédric Harrang. Eine Produktion von Eclectic Presse. In Zusammenarbeit mit France Télévisions. Deutsche Bearbeitung media transform. Im Auftrag von ZDFinfo.
  2. Franz Fischer: Das Handwerk bei den Kelten zur Zeit der Oppida. In: Handwerk 1983, S. 39.
  3. Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. S. 345 f.
  4. Helmut Birkhan: Kelten. Bilder ihrer Kultur. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, ISBN 3-7001-2814-2, S. 138, Bild 73.

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Ringwall Otzenhausen 11.jpg
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Ringwall Otzenhausen im Südabschnitt des Nationalparks Hunsrück-Hochwald; gesamter Waldbereich im Bild im Naturpark Saar-Hunsrück gelegen
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Modell einer Murus Gallicus (Bauprinzip wie bei der Burgmauer in Kempfeld)
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picture of the design of a wall, used on celtic fortress as discribed by Caesar in Bello Gallico
Oppidum Milseburg 1.jpg
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Das Foto entstand unterhalb der Milseburg im August 2004. Angeblich - laut unbewiesenen, anonymen Behauptungen, die ich leider weder bestätigen noch widerlegen kann - zeigt das Foto eine "nicht ganz ernst gemeinte Mauerrekonstruktion auf dem Oppidum Milseburg vom August 2004". Diese Mauer stehe auf einem "Abraumhaufen der Ausgrabung" und stelle "eine Art Pfostenschlitzmauer" dar. Diesen Typ habe es jedoch niemals auf der Milseburg gegeben. "Laut Auskunft der Grabungsmannschaft ist diese 'Mauer' als Witz gedacht und soll den Abraumhaufen etwas verschönern." Zudem sei diese Mauer aufgrund von 'Langeweile' einiger Archäologen entstanden. Falls diese Angaben stimmen sollten, bin ich mehr als enttäuscht über derartige Archäologen und wünschte mir, sie hätten die Graberei und vor allem die Bauerei aus Langeweile besser gelassen - so darf und kann niemand auch nur annähernd seriös arbeiten meiner Meinung nach.
Bibracte Porte Rebout.jpg
Porte du Rebout, oppidum de Bibracte, France.
Tap o' Noth - geograph.org.uk - 93164.jpg
(c) Steve Reid, CC BY-SA 2.0
Tap o' Noth. On top of the Tap o' Noth is a large vitrified fort. The fort is oblong in shape and is approximately 100 m by 30 m.
Murus Gallicus, Rittergasse 5 in Basel - 1.jpg
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Hohlräume der Balkengitter des Murus Gallicus an der Rittergasse 5 in Basel mit grossen Nägeln (helle Punkte) an den Kreuzungspunkten