Heinrich Gerber (Architekt)

Heinrich Gerber (eigentlich Heinrich August Anton Bernhard Gerber, * 23. August 1831 in Hannover; † 28. Februar 1920 in Göttingen) war ein deutscher Architekt, Stadtplaner, Baubeamter und Stadtbaurat in Göttingen.

Leben und Wirken

Heinrich Gerber war Sohn des General-Kasseschreibers Johann Nicolaus Daniel Gerber.[1] Nach dem Besuch des Lyzeums in Hannover[2] studierte Gerner in den Jahren 1847 bis 1852 Architektur an der Polytechnischen Schule in Hannover unter anderem bei Conrad Wilhelm Hase (1818–1902), mit dem er später noch lange eine Verbindung pflegte. Anschließend arbeitete er in Hases Architekturbüro, wo Gerber 1853 am Kirchturm-Entwurf der Martinskirche in Linden mitwirkte.[1]

Schon im Jahr des Studienabschlusses 1852 wurde Gerber Eisenbahn-Ingenieur-Assistent beim Bau der Hannöverschen Südbahn, wo er 1855–57 die Bauleitung bei der Errichtung des Bahnhofs von Hannoversch-Münden (entworfen von Hase) innehatte.[3] Anschließend verbrachte er viele Jahre im Ausland. So arbeitete er u. a. in Paris beim Architekten Jakob Ignaz Hittorff (1792–1867), wo er an der Neugestaltung des Place de la Concorde beteiligt war. Auf Vermittlung seines Bruders, eines Kaufmanns in Rio de Janeiro[3], nahm Heinrich Gerber 1857 für zehn Jahre eine Anstellung als Chefingenieur der brasilianischen Provinz Minas Gerais an.[3] Dort war er für die Erstellung einer neuen Provinzkarte sowie zahlreiche Hoch- und Tiefbauprojekte verantwortlich, so auch für die Planung des Theaters in Ouro Preto.[3]

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war Heinrich Gerber zunächst wieder bei der Eisenbahn, nun als Stationsbaumeister bei der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft, beschäftigt.[3]

1869 wurde Gerber auf Veranlassung des Göttinger Oberbürgermeisters Georg Merkel als Stadtbaumeister angestellt.[3] Später stieg er zum Stadtbaurat auf. In Göttingen war Heinrich Gerber bis 1901 über dreißig Jahre lang maßgeblicher Baubeamter und hat das Stadtbild durch Entwurfsplanungen und eigene Bauten entscheidend mitgeprägt. Außer Hochbauprojekten war Gerber in Göttingen auch stadtplanerisch tätig und für die Erweiterung der Infrastruktur (Wasserleitungssystem, Abwasserkanalisation, Wegenetz) der wachsenden Stadt verantwortlich.

Grabstein Gerbers

Neben der Beamtentätigkeit führte Gerber mit Genehmigung des Magistrats auch private Planungsaufträge sowie Aufträge anderer Kommunen vor allem in Südniedersachsen aus.[4] Aus gesundheitlichen Gründen trat er im Jahr 1901 – schon siebzigjährig – in den Ruhestand.[4] Sein Nachfolger als Stadtbaurat wurde Friedrich Jenner.

Im Jahr 1905 baute der Göttinger Architekt und Bauunternehmer Wilhelm Frankenberg (1868–1932) nach Gerbers Entwurf dessen Villa in der Göttinger Bühlstraße 12, an der Ecke zur heutigen Baurat-Gerber-Straße.[5][6] Im Jahr 1870 hatte er noch in der von ihm selbst geplanten und errichteten Villa in der Herzberger Landstraße 3 gewohnt.[7]

Heinrich Gerber starb 1920 im 89. Lebensjahr. Sein Grab befindet sich auf dem Göttinger Stadtfriedhof an der Kasseler Landstraße.[8]

Werkliste zu Bauten in Göttingen (Auswahl)

Das im Folgenden aufgelistete, architektonische Werk von Heinrich Gerber ist bisher nicht monographisch erforscht und daher eine vorläufige Übersicht im Aufbau.[9]

  • um 1870: eigenes Wohnhaus, Herzberger Landstraße 3
  • 1879: ehem. östliche Volksschule (Albanischule), Albaniplatz 1
  • 1879: ehem. Höhere Mädchenschule (Herbartschule), Nikolaistraße 1a
  • 1880: ehem. Volksschule (Jahnschule, heute Außenstelle „Kleiner Felix“ des Felix-Klein-Gymnasiums), Bürgerstraße 36/38
  • 1880: Villa Carl Ludwig von Bar, Herzberger Landstraße 25
  • 1881, Anlage des Stadtfriedhofs, Kasseler Landstraße 1
  • 1882–1883: Schlachthof, Schlachthofweg[10]
  • 1886: ehem. westliche Volksschule (Voigtschule), Bürgerstraße 15
  • 1888: Corpshaus des Corps Saxonia Göttingen, Theaterplatz 5[11]
  • 1892: ehem. Kaiser Wilhelm II. Realschule, Lotzestraße 16/18
  • 1892–96: Bismarckturm auf dem Hainberg
  • 1894: Verbindungshaus des Corps Bremensia Göttingen, Reinhäuser Landstraße 23[11]
  • 1896–1897: „Kapellen“-Anbau an der städtischen Altertumssammlung (heute Städtisches Museum), Ritterplan 7
  • 1899–1900: Friedhofskapelle auf dem Stadtfriedhof, Kasseler Landstraße 1
  • 1899–1901: Pumpenhaus, Herzberger Landstraße 82
  • 1901: ehem. Mittelschule für Mädchen (heute Außenstelle „Minimax“ des Max-Planck-Gymnasiums), Albanikirchhof 7/8
  • 1905: eigene Villa, Bühlstraße 12 (Baurat-Gerber-Straße 1)[10]

Bauten an anderen Orten (Auswahl)

  • 1857–1859: Wiershausen bei Hannoversch Münden, Evangelisch-lutherische Kirche St. Petri[1]
  • 1889: Uelzen, Bürgerschule (Lucas-Backmeister-Schule)[1]
  • 1891–1892: Northeim, Lehrerseminar[1]
  • 1893–1894: Osterode am Harz, Herzberger Straße 4, Bürgerknabenschule[1]
  • Hannoversch Münden, Friedhofskapelle[1]
  • Northeim, Höhere Töchterschule[1]
  • Northeim, Schlachthof[1]

Auszeichnungen

Für seine Tätigkeit in Brasilien wurde Gerber von Kaiser Pedro II. mit dem Ritterkreuz des Rosenordens ausgezeichnet.[3]

1897 erhielt er den Ehrentitel Baurath.[12]

Zum Eintritt in den Ruhestand 1901 wurde er von Kaiser Wilhelm II. mit dem Kronenorden III. Klasse für sein Lebenswerk geehrt.[10]

Im Göttinger Ostviertel wurde aus Anlass von Gerbers Ausscheiden aus dem Dienst 1901 – also schon zu Lebzeiten – eine Straße Baurat-Gerber-Straße benannt.[13]

Schriften

Literatur

(chronologisch)

  • Horst Michling: Göttinger Bau-Chronik (5), in: Göttinger Monatsblätter (= Beilage im Göttinger Tageblatt), Nr. 111, Mai 1983, S. 8–10. (S. 9 f. umfangreiche Werkliste)
  • Jan Volker Wilhelm: Das Baugeschäft und die Stadt. Stadtplanung, Grundstücksgeschäfte und Bautätigkeit in Göttingen 1861–1924. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006 (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Bd. 24), ISBN 978-3-525-85425-9 (Digitalisat auf books.google.de, abgerufen 10. April 2021), S. 72–74.
  • Thomas Appel: Göttinger Künstlerlexikon. Maler – Grafiker – Bildhauer – Architekten. Vom 14. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2022, ISBN 978-3-86395-504-5 (Digitalisat auf d-nb.info, abgerufen am 27. Juni 2022), S. 288–290. (S. 289 f. Werkverzeichnis.)

Archivalien

Weblinks

Commons: Heinrich Gerber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Gerber, Heinrich Anton August Bernhard, auf glass-portal.homepage.t-online.de (Datenbank Architekten und Künstler mit direktem Bezug zu Conrad Wilhelm Hase (1818–1902), abgerufen am 16. April 2022). Enthält eine umfangreiche Werkliste.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Gerber, Heinrich Anton August Bernhard. In: Architekten und Künstler mit direktem Bezug zu Conrad Wilhelm Hase (1818–1902). Reinhard Glaß, abgerufen am 26. April 2022.
  2. Thomas Appel: Göttinger Künstlerlexikon. Maler – Grafiker – Bildhauer – Architekten. Vom 14. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2022, ISBN 978-3-86395-504-5. S. 288.
  3. a b c d e f g Jan Volker Wilhelm: Das Baugeschäft und die Stadt. Stadtplanung, Grundstücksgeschäfte und Bautätigkeit in Göttingen 1861–1924. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006 (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Bd. 24), ISBN 978-3-525-85425-9, S. 72.
  4. a b Jan Volker Wilhelm: Das Baugeschäft und die Stadt. Stadtplanung, Grundstücksgeschäfte und Bautätigkeit in Göttingen 1861–1924. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006 (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Bd. 24), ISBN 978-3-525-85425-9, S. 74.
  5. Frankenberg, Wilhelm. In: Architekten und Künstler mit direktem Bezug zu Conrad Wilhelm Hase (1818–1902). Reinhard Glaß, abgerufen am 26. April 2022.
  6. Thomas Appel: Göttinger Künstlerlexikon. Maler – Grafiker – Bildhauer – Architekten. Vom 14. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2022, ISBN 978-3-86395-504-5, S. 289.
  7. Von der preußischen Mittelstadt zur südniedersächsischen Großstadt. Mit 105 Abbildungen und Tabellen. In: Rudolf von Thadden und Günter J. Trittel unter Mitwirkung von Marc-Dietrich Ohse (Hrsg.): Göttingen: Geschichte einer Universitätsstadt. Herausgegeben von Ernst Böhme, Dietrich Denecke, Helga-Maria Kühn, Rudolf von Thadden, Günter J. Trittel und Rudolf Vierhaus. Band 3. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-36198-X, Maren Christine Härtel: Göttingen im Aufbruch zur Moderne, S. 768–769.
  8. Horst Michling: Göttinger Bau-Chronik (5), in: Göttinger Monatsblätter (= Beilage im Göttinger Tageblatt), Nr. 111, Mai 1983, S. 8–10, hier S. 10.
  9. Ilse Rüttgerodt-Riechmann: Stadt Göttingen. In: Christiane Segers-Glocke (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Band 5.1. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1982, ISBN 3-528-06203-7 (Die meisten der in der Werkliste genannten Bauten von Gerber sind in diesem Band kurz beschrieben).
  10. a b c Horst Michling: Göttinger Bau-Chronik (5), in: Göttinger Monatsblätter (= Beilage im Göttinger Tageblatt), Nr. 111, Mai 1983, S. 8–10. (S. 9 f. umfangreiche Werkliste), hier S. 10.
  11. a b Jan Volker Wilhelm: Das Baugeschäft und die Stadt. Stadtplanung, Grundstücksgeschäfte und Bautätigkeit in Göttingen 1861–1924. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006 (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Bd. 24), ISBN 978-3-525-85425-9, S. 32.
  12. Deutsche Bauzeitung, Jg. 31, 1897, Nr. 52, S. 328 (Personal-Nachrichten), Digitalisat auf archive.org, abgerufen 26. April 2022.
  13. Gerd Tamke, Rainer Driever: Göttinger Straßennamen. Hsg. Stadt Göttingen, 2012 (Digitalisat auf stadtarchiv.goettingen.de abgerufen 26. April 2022), ohne Paginierung (PDF-Seiten 21 und 51).
  14. Link zum Verzeichnis auf arcinsys.niedersachsen.de, abgerufen am 26. April 2022. Der Archivalienbestand stammt aus der Hannoverschen Bausammlung, aus dem Nachlass von Günther Kokkelink.

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Villa Herzberger Landstraße 3 in Göttingen, erbaut um 1870 durch Heinrich Gerber als eigenes Wohnhaus, später Verbindungshaus der Burschenschaft Alemannia Göttingen (gegründet 1880, aufgelöst 1999), heute Verbindungshaus des FAV Rheno-Guestfalia (Hann. Münden) im CV und MC. Baudenkmal-ID: 35853590
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