Geistliche Chormusik

Titelblatt der Geistlichen Chor-Music
Vorwort von Heinrich Schütz, in dem er die angehenden Komponisten ermutigt, zunächst den Kontrapunkt zu erlernen

Geistliche Chormusik ist eine Sammlung von Motetten auf deutsche Texte für Chor von Heinrich Schütz. Sie wurde 1648 in Dresden als sein Opus 11 gedruckt und enthält 29 Sätze für fünf bis sieben Stimmen, denen die Nummern 369 bis 397 im Schütz-Werke-Verzeichnis (SWV) zugeordnet wurden. Die Sammlung ist auch als Geistliche Chor-Music 1648 bekannt. Sie enthält sowohl frühere als auch neue Kompositionen sowie eine deutsche Bearbeitung einer Motette von Andrea Gabrieli.

Geschichte

Schütz stellte die Sammlung von 29 Motetten, die sowohl frühere als auch neue Kompositionen enthält, im Jahre 1648 zusammen, als der Dreißigjährige Krieg zu Ende ging.[1][2] Der originale Titel war Geistliche Chor-Music, Erster Theil. Demnach plante Schütz eine Fortsetzung.[1]

In einem ausführlichen Vorwort schrieb Schütz: „Geistliche Chor-Music / Mit 5. 6. und 7. Stimmen / beydes Vocaliter und Instrumentaliter zugebrauchen / Auffgesetzet / Durch / Heinrich Schützen / … Worbey der Bassus Generalis auff Gutachten und Begehren / nicht aber aus Nothwendigkeit / zugleich auch zu befinden ist …“. Die Besetzung ist demnach für fünf bis sieben Stimmen, die sowohl vokal als instrumental ausgeführt werden können. Wesentlich ist, dass der Generalbass nicht notwendig ist, da die Motetten im stile antico gesetzt sind, den Schütz bei Giovanni Gabrieli gelernt hatte.[1]

Schütz widmete die Sammlung Leipzig, wobei er im Widmungsschreiben, datiert „Dreßden, am 21. April 1648“, den Bürgermeister und Rat adressierte und den Chor hervorhob, der heute als Thomanerchor bekannt ist. Es ist das erste Werk, das er nicht Hof oder Adel widmete.[1]

Sammlung

Kurt Gudewill bezeichnet die Geistliche Chormusik als das bedeutendste Motettenwerk des 17. Jahrhunderts. Die Sammlung enthält Kompositionen aus verschiedenen Stilschichten, von denen vermutlich etwas mehr als die Hälfte zwischen 1630 und 1648 und die übrigen (außer Nr. 24) zwischen 1615 und 1630 entstanden sind. Namentlich die Motetten Nr. 7, 13, 15 und 21 dürfte Schütz eigens für diese Sammlung komponiert haben.[3] Die Motette Das ist je gewißlich wahr geht auf die Trauermusik zurück, die Schütz anlässlich des Todes von Johann Hermann Schein schrieb. Die Vertonung Die Himmel erzählen die Ehre Gottes lässt sich in einer handschriftlichen Frühfassung aus der Mitte der 1630er Jahre nachweisen.[4]

Schütz vertonte überwiegend biblische Texte, doch auch einige Strophen von Kirchenliedern.[5] Die ersten zwölf Motetten sind für fünf Stimmen gesetzt, die weiteren für sechs oder sieben Stimmen.[2] Die beiden ersten Stücke sind durch die Zusatz „Erster Teil“ und „Anderer Teil“ als zusammengehörig gekennzeichnet und vertonen einen Abschnitt aus dem Buch Genesis, das vierte und fünfte sind ebenso gekennzeichnet und behandeln das Lied Verleih uns Frieden gnädiglich.

Nr.SWV Nr.TitelQuelle
1SWV 369Es wird das Scepter von Juda nicht entwendet werdenGen 49,10–11a 
2SWV 370Er wird sein Kleid in Wein waschenGen 49,11b–12 
3SWV 371Es ist erschienenTit 2,11–14 
4SWV 372Verleih uns Frieden genädiglichLied von Martin Luther und Johann Walter
5SWV 373Gib unsern Fürstenfortgesetzt
6SWV 374Unser keiner lebet ihm selberRöm 14,7–8 
7SWV 375Viel werden kommen von Morgen und von AbendMt 8,11–12 
8SWV 376Sammelt zuvor das UnkrautMt 13,30 
9SWV 377Herr, auf dich traue ichPs 31,1–3 
10SWV 378Die mit Tränen säenPs 126,5–6 
11SWV 379So fahr ich hin zu Jesu Christaus Nikolaus Hermans Wenn mein Stündlein vorhanden ist
12SWV 380Also hat Gott die Welt geliebtAlso hat Gott die Welt geliebt (Joh 3,16 )
13SWV 381O lieber Herre GottAdventslied
14SWV 382Tröstet, tröstet mein VolkJes 40,1–5 
15SWV 383Ich bin eine rufende StimmeJoh 1,23.26–27 
16SWV 384Ein Kind ist uns geborenJes 9,5–6 
17SWV 385Das Wort ward Fleisch und wohnet unter unsJoh 1,14 
18SWV 386Die Himmel erzählen die Ehre GottesPs 19,2–7  und Doxologie
19SWV 387Herzlich lieb hab ich dich, o HerrHerzlich lieb hab ich dich, o Herr
20SWV 388Das ist je gewißlich wahr1 Tim 1,15–17 
21SWV 389Ich bin ein rechter WeinstockJoh 15,1–2.5a.4 
22SWV 390Unser Wandel ist im HimmelPhil 3,20–21 
23SWV 391Selig sind die TotenOffb 14,13 
24SWV 392Was mein Gott will, das g’scheh allzeitWas mein Gott will, das g’scheh allzeit
25SWV 393Ich weiß, daß mein Erlöser lebtIjob 19,25–27 
26SWV 394Sehet an den FeigenbaumLk 21,29–31.33 
27SWV 395Der Engel sprach zu den HirtenLk 2,10–11 , Jes 9,5 , Arrangement nach Andrea Gabrieli
28SWV 396Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehöretMt 2,18 
29SWV 397Du SchalksknechtMt 18,32–33 

Druck und Einspielungen

Geistliche Chor-Music erschien zuerst in Dresden, gedruckt von Johann Klemm. Die Sammlung wurde von Breitkopf & Härtel als Teil der 1885 begonnenen ersten Ausgabe der Sämtlichen Werke von Schütz gedruckt, herausgegeben von Philipp Spitta. Sie ist Teil der kritischen Neuen Schütz-Ausgabe von Bärenreiter. Ab 1955 erschienen die Motetten als Einzelausgaben und wurden im Band Geistliche Chormusik 1648 – Gesamtausgabe der 29 fünf- bis siebenstimmigen Motetten (Bärenreiter-Ausgabe 500), Bärenreiter-Verlag Kassel und Basel zusammengefasst. In dieser Ausgabe sind die meisten Sätze um einen Ganzton oder eine kleine Terz hochtransponiert, außerdem sind die Dreiertakte als Dreihalbetakt statt Dreiganzetakt gedruckt, womit die Proportionen zwischen den Abschnitten nicht mehr stimmen. Als Herausgeber zeichnete Wilhelm Kamlah. In der DDR erschien eine entsprechende Ausgabe im VEB Breitkopf und Härtel Musikverlag Leipzig, die auf Kurt Thomas zurückgeht und sich durch eine andere Schrifttype unterscheidet. Als zweibändiges Werk erschienen 2003 die fünfstimmigen Motetten (Nr. 1–12) und 2006 im zweiten Band die sechs- und mehrstimmigen Stücke der Sammlung.[2] Geistliche Chormusik ist auch Teil der auf das Heinrich-Schütz-Archiv der Hochschule für Musik Dresden gestützten vollständigen Ausgabe der Werke von Schütz, die vom Carus-Verlag 1992 als Stuttgarter Schütz-Ausgabe begonnen wurde.

Die Motetten wurden häufig als Einzelwerke oder Auswahl aufgenommen. Darüber hinaus existieren zahlreiche Gesamteinspielungen: Rudolf Mauersberger leitete den Dresdner Kreuzchor 1962–1963, Heinz Hennig in Aufnahmen von 1981 bis 1984 den Knabenchor Hannover mit Instrumenten, wobei er einige Motetten solistisch, andere chorisch aufführte und von manchen mehrere Versionen anbot. Gerhard Schmidt-Gaden dirigierte den Tölzer Knabenchor 1998. Hans-Christoph Rademann nahm die Sammlung mit dem Dresdner Kammerchor und der Capella Sagittariana 2007 auf. Weitere Aufnahmen existieren mit Martin Behrmann, Manfred Cordes, Wilhelm Ehmann, Matteo Messori, Craig Smith und Masaaki Suzuki u. a.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Entstehung Geistliche Chormusik SWV 369–397. Heinrich-Schütz-Haus, abgerufen am 8. Juli 2014.
  2. a b c Alexander J. Fisher: Heinrich Schütz. Geistliche Chormusik [Review]. In: Notes (= Second Series,). 65. Jahrgang, Nr. 1. Music Library Association, 2008, S. 161–163, JSTOR:30163639 (englisch).
  3. Kurt Gudewill: Schütz, Heinrich. In: Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Erste Ausgabe, Band 12 (Schoberlechner – Symphonische Dichtung). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1965, DNB 550439609, Sp. 202–226, hier Sp. 219 (= Digitale Bibliothek Band 60, S. 67957–68014, hier S. 67981)
  4. Werner Breig: Heinrich Schütz – Geistliche Chormusik. Beiheft zur CD Weser-Renaissance, 1998, cpo 99546-2
  5. Wolfram Steude: Heinrich Schütz and the Thirty Years’ War. Research Centre „Westfälischer Friede“, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, 2002, abgerufen am 8. Juli 2014 (englisch).

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Heinrich Schütz: Geistliche Chormusik, Dresden 1648 Ausgestellt im Heinrich-Schütz-Haus (Weißenfels)
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Titelblatt der Geistlichen Chor-Musik (Cantus) von Heinrich Schütz, 1648