Abhängling

Gewölbe-Abhängling in der Kirche St-Pierre-Saint-Paul, Aumale
Hängende Schlusssteine in der Henry-VII.-Chapel in der Westminster Abbey, London

Der Begriff Abhängling oder „Hängezapfen“ ist ein Baufachbegriff und steht im historischen Bogen- oder Gewölbebau für einen herabhängenden Schlussstein. Dieser ist oft in Form eines Zapfens oder eines Knaufes ausgebildet.

Bei der Sonderform des spätgotischen Zweischichtengewölbes[1] gibt es auch Abhänglinge in Form eines mittels Eisenanker tief herabhängenden Schlusssteins, auf welchem in filigraner Form Gewölberippen ihr Auflager haben. Diese besonders kunstvollen Spezialkonstruktionen werden auch als Absenker oder hängender Trichter berzeichnnet.[2]

Hängender Schlussstein an einem spätromanischen Portalbogen (Brihuega, Spanien)

Im Holzbau ist ein Abhängling das untere Ende einer Hängesäule unterhalb der von der Hängesäule getragenen Balken.[3] Derartige Konstruktionen finden sich vor allem in den Bauten des englischen Tudorstils.

Abhänglinge und hängende Gewölbe spielen in hohem Maße mit statischen Konstruktionsgrundlagen und den Sehgewohnheiten der Betrachter, da der Schlussstein normalerweise an der höchtsten Stelle des Gewölbes eingekeilt ist.

Hängende Schlusssteine

Europa

Indien

Zeitlich etwas früher finden sich zahlreiche hängende Schlusssteine (padmashilas) in den Kragkuppeln der mittelalterlichen hinduistischen und jainistischen Tempel Indiens.

Falsche Schlusssteine

Die Abhänglinge der Abtei Cadouin (es gibt zahlreiche weitere Beispiele) sind selbstständige Skulpturen und keine echten Schlusssteine, da sie mittels Metallankern an die konstruktiven, lastübertragenden Schlusssteine oder Gewölbezwickel „an- oder abgehängt“ sind. Sie sind stets unsymmetrisch und immer eigenständig gestaltet und teilweise deutlich größer im Umfang als die konstruktiven Schlusssteine. Von ehemals 95 Abhänglingen in der Abtei Cadouin sind etwa 25 erhalten.

Hängende Gewölbe (Hängende Trichter)

Aus den hängenden Schlusssteinen entwickeln sich in der europäischen Spätgotik hängende Gewölbeteile (hängende Trichter[2]), deren Rippen nicht mehr in einem Scheitelpunkt zusammenlaufen, sondern kurz zuvor eine abwärts gerichtete Kehrtwendung machen. Die Trichterbildung kann sogar so weit gehen, dass sich die Rippen vom Untergrund lösen, sich als sogenannte Luftrippengewölbe frei im Raum bewegen und auf den Knäufen der hängenden Schlusssteine aufruhen. Dies wurde konstruktiv durch von unten nicht sichtbare Zuganker aus Eisen oder Kupfer bewerkstelligt.

Literatur

  • Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, Berlin 1999, ISBN 978-3-422-03065-7. (Zu den Abhänglingen in Halle siehe S. 258 und 264)
  • Hans Koepf: Bildwörterbuch der Architektur, 2. Auflage; Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-520-19402-3, S. 1 f.

Weblinks

Commons: Hängende Schlusssteine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Hängende Gewölbe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zweischichtengewölbe. In: hist-arch-vocab.org (Bamberger Vokabular für historische Architektur). 21. November 2022, abgerufen am 23. Dezember 2023.
  2. a b Abhängling (Gewölbe). In: hist-arch-vocab.org (Bamberger Vokabular für historische Architektur). 21. November 2022, abgerufen am 23. Dezember 2023.
  3. Abhängling (Holzbau). In: hist-arch-vocab.org (Bamberger Vokabular für historische Architektur). 21. November 2022, abgerufen am 23. Dezember 2023.

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Bacharach am Rhein/Deutschland - Südseitenschiff der Pfarrkirche St. Peter mit Hängeschlussstein; im Hintergrund das Grabmal des 1596 verstorbenen Amtsmanns Meinhard von Schönberg
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Abhängling oder Hängezapfen in einem vierteiligen Kreuzrippengewölbe der Kirche St-Pierre-et-Saint-Paul, Aumale, Seine-Maritime, France.
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Abhängling im Gewölbe des Mittelschiffs der Moritzkirche zu Halle (Saale)
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Abhängling von Nickel Hoffmann im Gewölbe des Mittelschiffs der Marktkirche zu Halle (Saale)
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Ein Sterngewölbe mit Abhänglingen im Kreuzgang der Abtei Cadouin im Département Dordogne, Frankreich.
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Hängender Schlussstein des Baumeisters Guillaume Letellier (H: 4 m, Gewicht: 4 t) in der Chorkapelle der Église Notre-Dame de Caudebec-en-Caux, Frankreich, um 1500.
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This photograph was taken by self (Dinesh Kannambadi) at the Amrutesvara temple (also spelt Amruteshvara or Amruteshwara) in Amruthapura, Chikkamagaluru district, Karnataka state, India. The temple was built in 1196 C.E. during the rule of the Hoysala King Veera Ballala II.
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Brihuega-Iglesia de Santa María de la Peña, construida a principios del S. XIII, es uno de los cinco templos cristianos con los que contó Brihuega.
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Abhängling, Engel mit Räucherfass
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Alsace, Bas-Rhin, Église Saint-Pierre-le-Vieux de Strasbourg (PA00085031): Clé de voûte pendante néo-gothique (XIXe).
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Detail des Hängenden Gewölbes von Hans Baltz von Mertenstein in der Salvatorkapelle des nördlichen Seitenschiffs der Leonhardskirche in Frankfurt am Main. Zu sehen ist Christus an der Geiselsäule, ein darüber thronender Gottvater (hier nicht vollständig zu erkennen), und das tropfenförmig herabhängende Wappen der bekannten Frankfurter Familie Holzhausen.

Selber fotografiert im März 2008, Doppellizensierung GFDL & CC-BY-SA 2.5.